Danach sollen lt. Meldung der Allgäuer Zeitung vom 20.07.11 "alle fünf Krankenhäuser* erhalten bleiben, aber umstrukturiert werden. Ab dem Wirtschaftsjahr 2014 beteiligt sich die Stadt Kaufbeuren jedoch nur noch mit maximal einer Million Euro an dem Defizit, den Rest muss der Landkreis bezahlen".
[* das sind: Buchloe, Kaufbeuren, Obergünzburg, Marktoberdorf und Füssen]
Ergänzend erfahren wir im Fortgang des Artikels, bzw. hier in einem anderen Bericht der AZ:
"Sobald der Landkreis eines oder mehrere Häuser schließt, müsste Kaufbeuren allerdings wieder 50 Prozent des Defizits bezahlen."
In ihrem Artikel "Landrat Fleschhut hofft auf Kompromiss zur Erhaltung der Ostallgäuer Kliniken" vom 21.07.2011 berichtet die Allgäuer Zeitung:
"Diese Lösung, die OB Bosse unserer Zeitung bekannt gab, entspreche «vollinhaltlich» der Linie, die vor zwei Wochen mehr als drei Viertel der Ostallgäuer Bürgermeister empfohlen hatten, so Fleschhut."
Diese Behauptung ist eine dreiste Lüge des Herrn Landrates.
Was haben die Bürgermeister auf ihrer Besprechung vom 07.07.11 beschlossen? Darüber berichtete die Allgäuer Zeitung z. B. in ihrer Kaufbeurener Ausgabe u. d. T. "Bürgermeister: Alle fünf Kliniken im Ostallgäu sollen erhalten bleiben. Umstrukturierung gefordert - Bis 2014 Defizit senken, sonst Schließung nötig" am 08.07.11 (meine Hervorhebung):
"Falls bis 2014 das Defizit nicht sinkt, so die Bürgermeister, müsse sich der Verwaltungsrat «bereits jetzt» auf Maßnahmen zur Reduzierung der Klinikstandorte festlegen."
Die Bürgermeister haben also quasi eine automatische Schließung des Krankenhauses in Marktoberdorf gefordert, wenn das Defizit nicht reduziert werden kann. Befremdlich ist zwar, dass sie dabei offenbar keine Zahl genannt haben. Die Erwartung an den Verwaltungsrat der Kliniken (der aus je 9 Vertretern der Stadt Kaufbeuren und des Landkreises Ostallgäu besteht), ist aber eindeutig: der Rat soll schon jetzt durch einen entsprechenden Beschluss die Weichen für die Schließung eines Krankenhauses (d. h. effektiv des Krankenhauses Marktoberdorf) stellen, der dann automatisch in Kraft tritt, wenn das Defizit bis 2014 nicht reduziert ist.
Genau diesen Mechanismus hat der Landrat nunmehr verhindert. Indem die über eine Million Euro hinausgehenden Belastungen ab 2014 allein vom Landkreis zu tragen sind, wird das Tauziehen um eine Schließung der Klinik in Marktoberdorf dann wieder losgehen. Allerdings diesmal allein im Landkreis, wodurch sich, aufgrund der Interessenlage, die Chancen für einen Fortbestand - trotz eines ggf. hohen Defizits - deutlich erhöhen.
Im ungünstigsten (aber keineswegs unrealistischen) Szenario könnte es sogar dahin kommen, dass die Kaufbeurener Vertreter im Verwaltungsrat, anstatt die Klinikschließung von MOD im Kampf gegen das Defizit zu fordern oder zumindest zu befürworten, diese sogar torpediren:
Nimmt man beispielsweise an, dass die Kliniken insgesamt weiterhin ein hohes Defizit haben, und dass dieses Defizit auch im Falle einer Schließung von Marktoberdorf noch weit oberhalb von 2 Mio. € läge. Dann wäre es für die Kaufbeurener sinnvoll, gegen eine Schließung von MOD zu stimmen, weil sie ansonsten wieder 50% des vollen Gesamtdefizits zu tragen hätten, also Kaufbeurener Verlustrisiko nicht mehr auf 1 Mio. € gedeckelt wäre.
Fleschhut führt also potentiell den Kreis in eine unentrinnbare Defizitfalle.
Wie hoch wird das Defizit ausfallen? Die Unternehmensberatung Kienbaum hatte in ihrem Sanierungsgutachten für den Fall einer Fortführung aller 5 Kliniken, jedoch durch Änderung der Zuständigkeiten in einer betriebswirtschaftlich optimierten Form, eine Absenkung des Defizits auf 800.000,- €, mithin rund 1 Mio. €, für möglich gehalten. Da freilich das Vorjahresdefizit des Klinikverbundes, und damit die Basis der Kienbaum-Kalkulationen, bei 6 Mio. lag, das diesjährige Defizit aber schon auf 9 Mio. € geschätzt wird muss man davon ausgehen, dass selbst eine betriebswirtschaftliche Optimierung bei fortbestehender Fünfhäusigkeit nunmehr zu einem Defizit von 4 Mio. € führen würde. Und da die Verluste offenbar auch noch eine steigende Tendenz aufweisen, werden sie zukünftig womöglich noch höher ausfallen. Aber selbst wenn man 4 Mio. € zu Grunde legt, müsste der Landkreis ab 2014 ein Defizit i. H. v. 3 Mio. € schultern.
Wenn ich allerdings z. B. in dieser Meldung lese, dass die Gemeinden bereit sind, bis zu 1 Mio. € Verluste zu tragen, geht man dort wohl eher von einem "normalen" Gesamtdefizit von 2 Mio. € aus. Wegen der Steigerung des 'Basisverlusts' von 6 auf 9 Mio. käme man dann mutmaßlich auf ein Gesamtdefizit von 5 Mio., von denen mithin sogar 4 Mio. ab 2014 vom Landkreis allein zu tragen wären.
Bislang hat es die Kreispolitik bereits geschafft, dass "Mit 471 Euro pro Kopf ..... die Landkreisverschuldung ..... 87,6 Prozent über dem Landesdurchschnitt" liegt. Aber die Verbrennungsgeschwindigkeit unserer Steuergelder ist natürlich noch steigerungsfähig.
Unabhängig von diesen Zahlen: Hätten die Bürgermeister auch nur einen Funken Selbstachtung, würden sie massenhaft gegen die unverschämte Falschdarstellung ihres Beschlusses durch den Landrat protestieren. Es sei denn, sie hätten ihre Entscheidung von vornherein nur als einen Alibi-Beschluss verstanden, als eine in Wahrheit gar nicht ernst gemeinte propagandistische Beruhigungspille für eventuell besorgte Bürger (deren Anzahl man freilich ohnehin an einer Hand abzählen kann). Mir jedenfalls war von vornherein klar, dass der Landrat den Beschluss als Freibrief zur fortgesetzten Steuergeldvernichtung auslegen würde (vgl. meinen zu diesem Thema vorangegangenen Blott "Feigheit siegt oder Wie sich die Bürgermeister im Kreis Ostallgäu vom Lobbyismus des Landrats für sein Hauptstadt-Krankenhaus ins Bockshorn jagen ließen" vom 08.07.11).
Leider unterstützt auch der Kreistag mit überwältigender Mehrheit die Fortführung der Fünfhäusigkeit. So titelt z. B. die Marktoberdorfer Ausgabe der Allgäuer Zeitung am 19.07.2011: "Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren: Kreistag unterstützt die Ostallgäuer Bürgermeister". Immerhin gab es argumentativ gewichtige Gegenstimmen, (mindestens) eine auch aus den Reihen der Freien Wähler (meine Hervorhebung):
"Dass die Sanierung ausgerechnet jetzt gelingen sollte, bezweifelte Kaspar Rager (CSU). Er setzte wenig Hoffnung ins Klinikmanagement. Wolfgang Gerum (FW) meinte, viele Bürgermeister hätten dem Appell «mit viel Bauchweh» zugestimmt. Täglich seien im Verbund 180 Betten leer und jede Führung scheitere an der Fünfhäusigkeit.
Offen ließ der Landrat, ob der Kreistag ein Votum abgeben soll. Die Mehrheit sprach sich für eine klare Position aus, ..... . Bei acht Nein- und 47 Ja-Stimmen gab es ein Votum für die Fünfhäusigkeit vorerst bis 2014. Die Gegenstimmen kamen aus verschiedenen Fraktionen. Als Verwaltungsrat stimmte auch Gerum mit Nein."
Die Füssener Druckausgabe der Allgäuer Zeitung berichtete am 19.07.2011 u. d. T. "Drama oder Happy End" über den Vorgang. Hier wird Wolfgang Gerum (ehrenamtlicher Bürgermeister in Friesenried und pensionierter ehemaliger Pflegedienstleiter im Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren) mit einer noch weitaus deutlicheren Äußerung zitiert:
"Wir verschieben die Operation, machen ein Pflaster drauf und hoffen auf eine wunderbare Heilung".
Recht hat Wolfgang Gerum! Der Landrat versucht mit seinem "Kompromissvorschlag", den Bürgermeisterbeschluss in sein genaues Gegenteil zu verkehren!
Nachträge 22.07.2011
Vgl. zum Thema auch die Berichterstattung in dem Inseratenblatt "Kreisbote" vom 21.07.11:
- "Kreisräte setzen klares Zeichen" und
- das Interview "Kliniken bis 2014 sanieren" mit dem Füssener Bürgermeister Paul Iacob.
Auf einen Aspekt im zeitlichen Ablauf, den ich völlig übersehen hatte, wurde ich jetzt in einem E-Mail-Wechsel mit dem gleichfalls an der Thematik interessierten Hr. Ilgenfritz (ehemaliges Stadtratsmitglied in Kaufbeuren) aufmerksam gemacht:
Wenn - wie bislang bei den Klinikgesellschaften üblich - die Bilanzen auch in 2014 erst ein oder zwei Jahre später eingereicht werden, wird das Defizit für 2014 vermutlich auch erst entsprechend später für die Öffentlichkeit sichtbar.
Ganz unabhängig von eventuellen weiteren (kreis-)politischen Widerständen gegen durchgreifende neue Sanierungsbemühungen (die m. E. ohne Klinikenschließung nicht zu haben sein werden), könnten also schon deshalb neue Sanierungsbemühungen frühestens im Jahr 2015, oder sogar erst in 2016, in Angriff genommen werden.
Nachtrag 23.07.11
"Einigung im Ostallgäuer Kliniken-Streit scheint greifbar. Landrat Fleschhut und Oberbürgermeister Bosse handeln Kompromiss aus - Fünf Häuser bleiben" berichtete die Allgäuer Zeitung in der Rubrik Allgäu-Rundschau am 21.07.11. Auszug:
"Allerdings haben auch die Ostallgäuer Bürgermeister bereits deutlich gemacht, dass sie nur noch bis 2014 bereit sind, mehr als eine Million Euro pro Jahr für die Krankenhäuser auszugeben.Deshalb gehen derzeit alle Verantwortlichen davon aus, dass nach 2014 Klinikschließungen unvermeidlich sind, falls die nun angestrebte Sanierung des Kommunalunternehmens (KU) scheitert."
Dass angeblich "alle Verantwortlichen" von einer Klinikschließung [irgendwann] nach 2014 ausgehen, wenn das Defizit nicht wesentlich reduziert werden kann, ist schön. Entscheidend ist allerdings, dass der Verwaltungsrat sich entgegen dem ausdrücklichen Votum der Bürgermeister offenbar nicht auf eine Schließung (vor-)festlegen soll! Und da nach 2014 für die Gremienmitglieder aus Kaufbeuren der Sanierungsdruck raus ist, und die Interessenlage der einzelnen Gemeinden im Landkreis Ostallgäu gegensätzlich, halte ich eine Perpetuierung gewaltiger Defizite zu Lasten des Landkreises für sehr wahrscheinlich. Eine dauernde Erhaltung des Krankenhauses in Marktoberdorf, ungeachtet der Verluste, zu Lasten der Steuerzahler: das ist offenbar das Ziel von Landrat Fleschhut.
Wieso lassen sich eigentlich die Bürgermeister und anderen Kreispolitiker derart am Nasenring führen?
Nachtrag 28.07.2011
Das Krankenhaus in Marktoberdorf wird nun doch geschlossen. Mehr darüber in meinen heutigen weiteren 'Kliniken-Blott' u. d. T. "Entscheidung im Klinikenstreit: Verantwortungsbewusstsein siegt über Verschwendungs-Landrat Fleschhut; Klinik Marktoberdorf wird geschlossen!".
Textstand vom 28.07.2011
Finde ich enorm, dass diese Sicht einmal formuliert wird!
AntwortenLöschenFreut mich natürlich, wenn jemand meine Kritik
AntwortenLöschena) überhaupt und
b) positiv registriert.
Meine mittlerweile -6- Einträge zum Thema habe ich jetzt auch "Kliniken OAL-Kaufb." getäggt (s. unten), so dass bei Interesse auch die anderen einschlägigen Postings leicht auffindbar sind.
Hallo Cangrande,
AntwortenLöschenbevor man solche Blogs schreibt sollte man sich genauer informieren, dann wäre auch Ihnen klar, daß das gesamte Defizit zu midestens 65% auf das Haus Kaufbeuren entfällt. Deshalb weg mit Kaufbeuren und meinetwegen auch Füssen!!
@ Anonymus (05.11.11):
AntwortenLöschenZunächst einmal habe ich keinen Einblick in die Wirtschaftsdaten der Kliniken; allerdings war in der Tat den Pressemeldungen zu entnehmen, dass ein großer Teil des Klinikendefizits in Kaufbeuren anfällt.
Nur sollte man, bevor man einfach eine Schließung des Hauses in KF fordert, sich genauer informieren, was das bedeutet. Zwar bin auch ich kein Spezialist für Gesundheitswirtschaft, aber so viel habe ich denn doch aus der Debatte mitbekommen, dass das Klinikum in Kaufbeuren eine höhere Versorgungsstufe abdeckt als die Krankenhäuser.
Man kann also offenbar dort Operationen durchführen, die in den anderen Krankenhäusern nicht möglich sind. Damit wird ein solches Haus unverzichtbar. Wollen Sie nach einer Schließung die Ostallgäuer Patienten nach Kempten usw. schicken? Oder wollen Sie einen riesigen Batzen (Steuer-)Geld in die Hand nehmen und z. B. das Krankenhaus in Marktoberdorf 'aufrüsten'? Oder verzichten Sie ganz einfach darauf, solche Folgen zu durchdenken?
Die ratio hinter der Schließung von Marktoberdorf ist offenbar, die Wirtschaftlichkeit von Kaufbeuren zu steigern, indem die Marktoberdorfer Patienten zumindest zum großen Teil in KF behandelt werden. Die beste Lösung wäre wohl, außer Marktoberdorf auch die Häuser in Obergünzburg und Buchloe zu schließen (und die Abwanderung eines Teils dieser Patienten in andere Landkreise in Kauf zu nehmen).
Aber diese große Lösung wäre politisch kaum durchsetzbar gewesen.
Jedenfalls: Ihr Lösungsweg verbietet sich von selbst. Und ein Defizit von 9 Mio. €, verteilt auf die knapp 180.000 Einwohner des Landkreises OAL und der Stadt Kaufbeuren, macht 50,- € für jeden einzelnen. Eine vierköpfige Familie bezahlt damit rechnerisch 200,- € im Jahr für die ostallgäuer Kliniken-Misswirtschaft.
Bei mir jedenfalls wächst das Geld nicht auf Bäumen, und ich will meine Steuergelder nicht in unwirtschaftlichen Kommunalbetrieben verschleudert sehen.
Kurz: Ich will verhindern, dass in Deutschland Zustände wie in Griechenland einkehren!
P. S.:
AntwortenLöschenUnd wo bringen Sie bei einer Schließung von KF die Patienten der unteren Versorgungsstufen unter?
Erweitern Sie dann die umliegenden drei Häuser mit -zig Millionen Aufwand? Und glauben Sie, dass die dann die optimale Größe haben, um verlustfrei zu wirtschaften?