Mittwoch, 6. Juli 2011

Seeg im Allgäu: Europa fördert die Erlebnisimkerei. Oder: Wie Politik und Bürokratie ihre Langfinger in die Honigtöpfe der Steuerzahler stecken.

"Landwirtschaftsamt Kempten gibt Leader-Mittel für das Honigdorf Seeg frei" titelte die Allgäuer Zeitung am 05.07.2011 eine erfolgreich verlaufene Subventionsbohrung in Brüssel.



"LEADER" steht lt. Wikipedia für "Liaison entre actions de développement de l'économie rurale"; zu Deutsch: "Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft." Die Voraussetzungen, die verwaltungsintern zweifellos in bücherdicken Dokumenten festgelegt sind, werden für (potentielle) Antragsteller in dieser  27-seitigen Broschüre dargestellt.
Wie nicht anders zu erwarten, werden die Bedingungen bzw. Zielsetzungen in hochtrabenden Begriffen beschrieben. Zitat aus der zusammenfassenden Wikipedia-Darstellung:
"Kennzeichnend für das LEADER-Programm sind sieben wesentliche Merkmale:
  1. Bottom-up-Ausarbeitung und Umsetzung von Strategien
  2. Lokale öffentlich-private Partnerschaften: die lokalen Aktionsgruppen (kurz: LAG)
  3. Integrierte und multisektorale Aktionen
  4. Innovation
  5. Kooperation
  6. Netzwerkbildung
  7. Territoriale lokale Entwicklungsstrategien"
 Leader soll "das tägliche Leben der Menschen in ländlichen  Gebieten  tatsächlich  verändern," "eine  bedeutende  Rolle  dabei  spielen,  innovative Antworten  auf  alte  und  neue ländliche  Probleme  zu  fördern", "zu einer Art „Labor“ für den Aufbau lokaler Fähigkeiten und zum Erproben von neuen Wegen, um den Bedürfnissen  der  ländlichen  Gemeinschaften  zu  entsprechen" werden.
Angeblich hat Leader "in vielen ländlichen Gebieten in den Mitgliedstaaten der  EU-15  ( 3 ) .....  wertvolle  Ergebnisse  erzielt"  und soll "eine  bedeutende  Rolle  dabei  spielen,  die  ländlichen Gebiete in den neuen und zukünftigen EU-Mitgliedstaaten zu unterstützen, sich den gegenwärtig sich verändernden Bedingungen anzupassen."
Wenn man liest, dass Leader "sozioökonomische Akteure [ermutigt], miteinander zu arbeiten, Waren und Dienstleistungen zu erzeugen, die in  ihrem  lokalen  Gebiet  eine  maximale Wertschöpfung schaffen" dann fragt man sich, wie die sozioökonomischen Akteure, die Menschen also, in der Vergangenheit gelebt, gewirtschaftet und kooperiert haben? Waren das bislang sämtlich Idioten (im ursprünglichen Wortsinne: Eigenbrötler), die erst durch Fördermittel der Europäischen Union zu sozialen Wesen gemacht werden müssen?

Als Beispiel für eine 'innovative Aktion zur Förderung des ländlichen Raumes' steht mir exemplarisch immer die Geschichte der Einführung des (mittlerweile wieder aufgegebenen) Spargelanbaus in der Gemeinde Niederrodenbach (heute Ortsteil von Rodenbach) bei Hanau vor Augen. Darüber hatte ich (vor längerer Zeit schon) in einer Broschüre gelesen, die zu irgendeinem Ortsjubiläum herausgegeben worden war und die ich im Heimatmuseum von Niederrodenbach erhalten hatte. Das Ganze ging auf die Initiative eines Einzelnen zurück, der sich in Gegenden mit bereits eingeführtem Spargelanbau informiert und erkannt hatte, dass die Bedingungen (leichter sandiger Boden) auch im Rodenbacher Gebiet gegeben waren. Im Internet findet man über diese Episode der Niederrodenbacher Wirtschaftsgeschichte so gut wie nichts (außer dass es in Rodenbach noch heute ein "Spargelfest" gibt). Nur eine Information von der Gemeindewebseite über die Wappengeschichte verrät uns indirekt, dass der Spargelanbau um 1930 eingeführt wurde. Er zitiert nämlich einen Antrag der damals noch selbständigen Gemeinde Niederrodenbach für die Einführung eines Wappens, in dessen Begründung u. a. zu lesen ist:
"Der Spargelanbau in der Gemarkung Niederrodenbach kann bereits auf eine 30-jährige Tradition zurückblicken. Etwa 1/6 aller Einwohner bauen Spargel an. Der jährliche Bruttoerlös kann mit ca. 400.000,- DM angenommen werden."
Seinerzeit gab es keine Staatsknete (schon gar nicht von einer europäischen Monsterbehörde) und kein Geschwafel über eine (für notwendig gehaltene) 'Ermutigung der sozioökonomischen Akteure aus Steuermitteln': trotzdem haben die Menschen ihre Chance erkannt und genutzt und ihre Gemeinde wirtschaftlich weiterentwickelt.

Ein weitaus bekannteres Beispiel, und sogar hier aus dem Allgäu, ist Carl Hirnbein, der hier ungefähr um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Käseherstellung eingeführt und damit die Grundlage für die uns heute so selbstverständliche Allgäuer Milchwirtschaft gelegt hat, und ganz nebenbei noch Pionier der touristischen Erschließung dieser Landschaft war.

In erster Linie um den Tourismus ging es  auch bei der Idee, die Gemeinde Seeg (über die ich in anderem Zusammenhang bereits in meinem Blott "Vatertagsausflug zur Motte von Seeg" vom 02.06.2011 berichtet hatte) zum "Honigdorf" zu machen. Unter der Überschrift "Schau-Imkerei im Heimatmuseum Seeg" meldete die Allgäuer Zeitung am 23.03.11 u. a.:
"Ab Mai wird mit den Umbauarbeiten im Keller des Heimatmuseums begonnen, um dort eine Schau-Imkerei einrichten zu können. ..... Mit dem Projekt will Seeg den Negativtrend bei den Übernachtungen stoppen. ..... Dass dringender Handlungsbedarf bestand, zeigte sich bei den Zahlen, die Sandra Dopfer von der Tourist-Information vorstellte. So berichtete sie über ein Minus bei den Übernachtungen von 5,76 Prozent auf rund 63000 und bei den Gästen ein Minus von 18,56 Prozent auf etwa 9000."
Radio Allgäu berichtet unter "Grünes Licht für Honigdorf" ganz unverblümt: "Der Seeger Tourismusverein hatte vor einiger Zeit festgestellt, dass die Gemeinde neue Initiativen braucht. In dem Zusammenhang kam die Idee mit dem „Honigdorf“ als Alleinstellungsmerkmal."
Verständlich, dass die Gemeinde diesen ziemlich dramatischen Besucherschwund zu stoppen versucht. Von der Idee her ist ein "Honigdorf" durchaus originell. Wenn derartiges anderenorts noch nicht existiert, kann sie dem Ort in der Tat ein Alleinstellungsmerkmal bringen. [Zwar ist der griechische Ort Nikiti touristisch als "Honigdorf" bekannt. Der Wikipedia-Eintrag sagt dazu aber lediglich: "Die vormals alles andere überragende Landwirtschaft – insbesondere die Imkerei – hat an Bedeutung deutlich verloren, wird aber fortgesetzt durchgeführt", woraus ich folgere, dass der Ort sich selbst nicht systematisch als Honigdorf vermarktet. Auch diese Tourenbeschreibung berichtet dazu nur "Das Wahrzeichen von NIKITI ist der Honig und somit ist das Dorf eine Fundgrube für alle Honigliebhaber".]
Das Heimatmuseum in Seeg ist auch jetzt schon sehenswert und liebevoll gestaltet, aber eine Erweiterung um eine Schau-Imkerei dürfte die Besucherzahlen steigern. [Sinnvoll wären wahrscheinlich auch Film- bzw. Videovorführungen über den "Schwarmtrieb" und besonders über die faszinierende "Tanzsprache" der Bienen. Didaktisch - wenn man das Ganze auch als Umweltschutzprojekt begreift - erschiene es mir auch angebracht, den Besuchern die negativen Folgen der "biologischen Bodenversiegelung" - Rasenflächen statt "Unkraut" oder Bauerngärten - für die Imkerei -sowie allgemein für die Artenvielfalt- vor Augen zu führen. Ebenfalls potentiell interessant ist die historische Dimension: Verwendung von Bienenwachs für Kerzen und andere Zwecke in alten Zeiten (vgl. z. B. diesen Text) sowie "Mitmach"-Angebote wie z. B. Kerzenziehen aus Honigwachs. Auch Weihnachtsmärkte könnte man unter das "Honig"-Thema stellen.] (S. a. Wikipedia-Stichwort "Geschichte der Imkerei")
Ob allerdings selbst ein breit ausgebautes 'Infotainment'-Angebot zum Themenkreis Bienen + Honig ausreicht, um größere Touristenscharen für längere Urlaubsaufenthalte nach Seeg zu locken, scheint mir eher zweifelhaft. Bienen sind halt keine (Alpen-)Berge. Aber, wie gesagt, dass die Kommunalpolitik den Abwärtstrend zu wenden versucht, ist selbstverständlich.
Ebenso verständlich ist aus Sicht der lokalen Politik die Suche nach externen Zuschussquellen. Nur finde ich es einigermaßen pervers, dass die Bürger erst Steuergelder sozusagen in Brüssel abliefern müssen, bevor die Gemeinden nach Abzug einiger Bürokratiekosten etwas zurück bekommen. Vor allem aber ist es aus meiner Sicht nicht die Aufgabe der europäischen Union, Gelder für die Verbesserung der touristischen Wettbewerbsfähigkeit einer Gemeinde im Allgäu (oder auf Aland oder im Aosta-Tal oder sonstwo) bereitzustellen.
Allerdings werden die Mittel nicht (mehr) von Brüssel direkt bewilligt, sondern 'vor Ort'. Dazu informiert der o. a. Leitfaden: "Ab 2007 wird die  Finanzierung für die Leader-Achse durch  die  Pauschalzahlungen kommen, die jeder Mitgliedstaat im Rahmen des neuen Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) von der EU erhält, um die ländliche Entwicklung zu fördern."
Ein solches Verfahren verkürzt zwar die bürokratischen Wege. Zugleich führt es aber dazu, dass die verfügbaren Mittel um jeden Preis ausgegeben werden müssen: schließlich wollen wir der EU ja kein Geld zurück zahlen. Alles, was sich irgendwie in die Kriterien pressen lässt, wird also gefördert; Verwaltungsbedienstete, welche die Mittel nicht voll ausgeben, würden zweifellos einen Rüffel bekommen. Einen Ort touristisch als "Honigdorf" aufzumotzen erscheint immerhin noch einigermaßen sinnvoll; andere Projekte sind dagegen ausgesprochen fragwürdig.
Für eine EU-Förderung sehe ich es aber als besonders problematisch an, dass überhaupt Gelder für wohlhabende Regionen fließen. Grundsätzlich bin ich (auch wenn ich heftig gegen die Milliarden-Verschwendung für Griechenland & Co. agitiere, aktuell zuletzt in diesem Blott) bin ich nicht grundsätzlich gegen (moderate) Transferzahlungen für zurückgebliebene Länder. Es kann in solchen Fällen auch durchaus sinnvoll sein (Griechenland, Süditalien ... !), die Geldverwendung gerade nicht an die lokalen Behörden vor Ort zu delegieren, sondern von Brüssel straff zu überwachen. Wogegen ich mich aber wende ist, dass unsere Transferzahlungen (netto bekommen wir weniger raus als wir einzahlen) sozusagen politisch verschleiert werden, indem wir halt doch auch etwas zurückbekommen. Darin sehe ich  (auch wenn man natürlich die Zahlen jederzeit abrufen kann und insoweit keine echte Verschleierung vorliegt) den Versuch, uns a) wie Kinder zu behandeln (indem wir auch 'beschenkt' werden) und b) uns vergessen zu machen, dass wir Nettozahler sind. Das ist eine Form politischer Unehrlichkeit, von subtiler Korruption der Bürger bzw. insbesondere der politischen Kaste. Indem jeder mal an den Euro-Zitzen saugen darf werden die Menschen im Zustand der Dankbarkeit gehalten und sie vergessen, dass sie ja doch selbst  waren, welche zuvor die Zitzen mit ihrer Steuermilch gefüllt haben.
[Ein Milch-Projekt zu Lasten der Steuerzahler gibt es im Allgäu natürlich auch: "Das Projekt „Allgäuer Milch schmeckt natürlich gut“ beinhaltet unter anderem ein Milch-Memory, welches Kindern das Thema Milch nahe bringen soll" lernen wir im dem Artikel "EU-Geld für Allgäuer Leader-Projekte" in der Allgäuer Zeitung vom 17.06.11. Ich bin hellauf begeistert, mit meinen Steuergeldern Allgäuer Milchwerbung subventionieren zu dürfen!]
Meine Kritik an dieser Einstellung - auf Seiten der Politik, der Verwaltung, aber nicht zuletzt auch der Bürger selbst - trifft natürlich nicht nur die europäische Ebene, sondern lässt sich entsprechend auch auf andere Mechanismen der Steuergeldverschwendung anwenden. Insbesondere kofinanzierte Projekten sollten wir Bürger äußerst kritisch sehen, denn wenn jede staatliche Ebene nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten zu tragen hat steigt das Risiko, dass niemanden das gesamte Kosten-Nutzen-Verhältnis von Projekten interessiert.

Schauen wir uns aber zunächst den Bericht "Landwirtschaftsamt Kempten gibt Leader-Mittel für das Honigdorf Seeg frei" vom 05.07.11 an:
"Im Zuge der Verkehrsberuhigung durch die Fertigstellung der A7 plant die Gemeinde Seeg, den Erholungswert des Ortes stärker in den Vordergrund zu rücken und sich mit dem Alleinstellungsmerkmal «Honigdorf» neu zu positionieren. Eine Gruppe von engagierten Bürgern hat zusammen mit der Kommune ein Konzept für das «Honigdorf Seeg» entwickelt (wir berichteten mehrfach). Dieses sieht die Errichtung einer Erlebnisimkerei im bestehenden Heimatmuseum, die Anlage eines Bienenlehrpfades mit Honigspielplatz und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit vor."
Auch über die Kosten werden wir informiert:
"... für die geplanten Maßnahmen mit Projektkosten von 452000 Euro [stehen] ab sofort 191200 Euro Fördergelder aus dem Leader-Programm zur Verfügung."

Ein anderes im Rahmen der LEADER-Förderung kofinanziertes Projekt ist die "Burgenregion Allgäu". Auch das dient natürlich in allererster Linie der touristischen Aufwertung.
Ich persönlich liebe Burgen und freue mich als Privatperson, wenn deren Ruinen informativ beschildert sind, oder darüber, dass ich für nur 5,- € einen ausführlichen Burgenführer für die Region erwerben konnte.
Als Bürger frage ich mich freilich, wieso die Europäische Union die touristische Aufrüstung des Allgäu (bzw. entsprechend anderer Regionen in den entwickelten europäischen Ländern) finanzieren soll. Wer Gäste anlocken will, muss etwas dafür tun, und einen Teil der Einnahmen reinvestieren. Dass aber auf europäischer Ebene die Staaten auch denjenigen, die Urlaub auf Balkonien machen (müssen) Geld abknöpft, damit ich hier mein Vergnügen habe, finde ich als Bürger inakzeptabel. Touristenwerbung und Investitionen in touristische Attraktionen sollen in erster Linie diejenigen bezahlen, die daran verdienen: also die Privatpersonen und die Fremdenverkehrsgemeinden.
Allenfalls ist es in einem gewissen Rahmen noch akzeptabel, wenn das jeweilige Bundesland Zuschüsse gibt; für große Projekte (wie für die Olympiade, die ich persönlich allerdings aus Kostengründen ablehne) vielleicht auch der Bund. Aber Europa möge sich um Wichtigeres kümmern, z. B. darum, den Aufholprozess wirtschaftlich schwächerer Länder zu fördern. Darüber hinaus sollte unser Geld von vornherein im Land bleiben, anstatt erst als sozusagen 'milde Gabe' wieder an uns zurückzufließen.
Die EU möge ihre Finger lassen von Förderaspiranten wie einem
'landwirtschaftlichen Erlebniszentrum; neuen Konzepten zur örtlichen Nahversorgung (in Bidingen) [europäisch subventionierter Tante-Emma-Laden?], der Vernetzung historischer Mühlen [auch unvernetzte Mühlen sind sehenswert, solange es keine unbenetzten Mühlen sind ;-) ]; der touristischen Profilierung Füssens [Sonthofen hätte das nötiger ;-) ]; der Naherholung im Günztal [eine Europaidee, die örtliche Wanderwege fördert, macht sich schlicht lächerlich!]; von den Pfrontener Mächlern und der Stärkung des Kulturstandortes Irsee'.
Dann können die Beiträge (z. B.) Deutschlands entsprechend gesenkt werden und Deutschland kann selbst entscheiden, wofür es die Gelder verwenden will.

Ob dann Projekte wie @venture gefördert würden, wage ich zu bezweifeln; für mich ist so etwas eine technische Spielerei.
Fragwürdig sind auch andere in Europa geförderte Projekte - und die entnehme ich sogar den Beispielen aus dem o. a. Leitfaden der EU, S. 22 ff.!):

  •  Eine Strategie für Qualitätserzeugnisse aus der sardischen Region Montiferru. Dort sollte das Programm, 'dem Verlust der lokalen Identität und dem Verschwinden traditioneller Sitten und Bräuche' entgegenwirken' und eine 'Wiederbelebung des sozioökonomischen Systems der Region, mittels Tierhaltung und kleinen Handwerksbetrieben' einleiten. Derartig ambitionierte (aber freilich ökonomisch rückwärtsgewandte!) Ziele wurden angeblich erreicht durch "die Aufwertung der lokalen Erzeugnisse und die Verbesserung ihres Zugangs zu den lokalen Märkten; die Erhaltung der natürlichen Ressourcen, die vom Aussterben bedroht sind; Imageförderung für die Region Montiferru; die Rückbesinnung auf das soziokulturelle Erbe der Region (Sitten und Gebräuche, durch die früher das ländliche Leben in der Region geprägt war)." Die Italiener freilich waren ausgesprochen bescheiden: das Gesamtbudget von 8.000,- € reicht doch bestenfalls zur Herstellung und Verteilung von ein paar Flugblättern aus, eine soziokulturelle Rückführung der Bevölkerung auf den Tugendpfad traditioneller Produktionstechniken (also auf den idyllischen Zustand der Armut!) lässt sich damit (zum Glück) nicht bewerkstelligen. Kurz: Große Sprüche, aber offenkundiger Humbug!
  • "In den Norfolk Broads werden zur Regenerierung der Bestände Schilfrohr und Riedgras geerntet". Hintergrund war mangelnde Wettbewerbsfähigkeit gegen Importe; aus Sicht des Welthandelsabkommen dürfte die Förderung eine unzulässige Subvention darstellen. (Gesamtkosten ca. 170 TEuro).
  •  "Eine sichere Zukunft mit gebührendem Respekt für die Vergangenheit" will ein Verein im finnischen Gebiet Süd-Kymi gewährleisten: das wurde aber auch höchste Eisenbahn! Wie man mit Kosten von 60 TEuro eine sichere Zukunft für die Bürger von 8 Dörfern schaffen kann, wissen wohl allein die Vereinsmitglieder, welche dieses Projekt betreiben.
  • Bei der "Länderübergreifenden Ausbildung zum Kulturführer und Museumsbetreuer" (Motto: "Drei Alpenregionen schaffen gemeinsam eine neue Perspektive")  haben sich das Land (Nord-)Tirol und die bayerischen Regierungsbezirke Schwaben (also wieder unser Allgäu) und Oberbayern zusammengetan, um die Europaknete abzugreifen. Denn fraglos ist ja die Ausbildung von Kulturführern und Museumsbetreuern ein drängendes  Bedürfnis [einen einschlägigen Studiengang gibt es nur deshalb noch nicht, weil Europa dafür noch keinen passenden Fördertopf vollgemacht hat!], und dass die Österreicher endlich mal grenzübergreifend in der deutschen Sprache geschult werden, kann schließlich dem Europagedanken auch nicht schaden. Mit 30.000 € Gesamtkosten war auch dieses Projekt ausgesprochen billig, wenn man bedenkt, welche großartigen Planziele es zu erfüllen galt: "In den Regionen Auerbergland (DE), Außerfern (AT) und Ostallgäu (DE) wurde ein transnationales Ausbildungsprojekt für Leader+-Regionen mit 104 Teilnehmern, 25 Referenten, 47 Workshops und 20 unterschiedlichen Modulen gestartet. Bei dem Projekt werden die kulturellen und geschichtlichen Gemeinsamkeiten der drei Regionen beleuchtet [Donnerwetter! Die Existenz derartiger Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Österreich ist eine echt sensationelle Entdeckung!], die alle in den bayrischen und österreichischen Alpen liegen. Die  Geschäftsführer  der  LAG kamen zunächst zu einem Gedankenaustausch  zusammen  Dabei kam man zu dem Ergebnis, dass  die  Entwicklungsstrategien  der  drei  Nachbar-LAG zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen [eine aufregende Einsicht!] und etliche Ansatzpunkte für eine zukünftige Zusammenarbeit bieten  würden [klar: die kaufen hier Aldi und wir fahren zu denen tanken!]. Da transnationale Kooperationsprojekte komplexer und mit höheren Risiken verbunden sind als lokale Projekte, suchten die drei LAG-Geschäftsführer nach einer soliden Kooperationsbasis. Es war ihnen bewusst, dass der Erfolg eines transnationalen Projekts wesentlich von der festen Überzeugung abhängt, dass das Projekt für alle beteiligten LAG erhebliche  Vorteile  bringt [darauf muss man erst einmal kommen!]. Im Anschluss an eine eingehende kritische Bewertung des Projekts beschlossen sie, die engere Verknüpfung von Geschichte und Kultur einerseits sowie Tourismus und Beschäftigung andererseits in den Mittelpunkt ihrer Kooperation zu stellen. Durch die Verbindung von Tourismus und  Kultur  verfolgt das Projekt das Ziel, neue Arbeitsplätze, insbesondere für Frauen, zu schaffen, um das Band zwischen dem Heimatland und seiner Geschichte für junge Menschen zu festigen." Wofür brauchen wir eigentlich Politiker, wenn schon ganz gewöhnliche Tourismus-Manager solche Sätze formulieren können? (Und abkupfern können Polit-Profis bekanntlich auch: "Um einige Ideen zu optimalen Verfahren zu bekommen, setzten  sich  die  drei  LAG-Geschäftsführer  mit  der  italienischen LAG Val Venosta in Südtirol in Verbindung, die ein ähnliches Projekt im Rahmen von Leader durchgeführt hatte.")

Nachträge 07.07.2011
  • In der Gemeinde Göriach im Lungau (Österreich, Land Salzburg) existiert seit 10 Jahren ein Bienenlehrpfad (von dessen Webseite stammt auch mein o. a. Link über historische Verwendungszwecke von Bienenwachs). 
  •  Ausführlicher als der deutschsprachige Wikipedia-Eintrag berichtet der englischsprachige "beeswax" über gegenwärtige und historische Verwendungen von Bienenwachs.

Nachträge 08.07.11
Außer Nikiti in Griechenland (s. o.) gibt es noch einige andere Orte in Europa, die sich "Honigdorf" nennen oder von anderen so benannt werden:
  • Der Ort Hărman in Rumänien , das ehemalige "Honigberg" (lat. "mons mellis") der Siebenbürger Sachsen, wird gelegentlich irrtümlich als "Honigdorf" bezeichnet. Sehenswert dürfte die imposante Kirchenburg des Dorfes sein; touristische Bezüge zu Bienen oder zum Honig sind allerdings nicht erkennbar. Auch aus der siebenbürgisch-sächsische Bezeichnung "Hooentschprich" vermag ich keinen "Honig" zu saugen. [Vielleicht sollte ich hier nicht allzu leichtfertig von "saugen" reden: immerhin liegt das Dorf in Transsylvanien!]
  •  Auch in El Perello in Spanien (Katalonien) wird Honig produziert und als ortstypisch beworben. Aber viel mehr als die eher nüchterne Information "Son notables la producción de miel, primer pueblo productor de Cataluña y el aceite de oliva virgen extra" (Hervorstechend sind die Produktion von Honig, wo El Perello das bedeutendste Ort in Katalonien ist, und von Olivenöl) erfährt man auf der Gemeindewebseite (Unterseite "Tourismus"!) darüber nicht.
  •  Nur scherzhaft bezeichnet ein Artikel der Passauer Neuen Presse vom 01.06.11 den Ort Kumreuth als "Honigdorf"; allerdings ist das dort erwähnte Theaterspiel, in dem Bienen Räuber vertreiben, sicherlich auch für Seeg interessant.
Keiner dieser Orte wird also touristisch in größerem Umfang, und vor allem nicht systematisch, als "Honigdorf" vermarktet (auch die oben erwähnten Dörfer Göriach und Plau am See bezeichnen sich nicht als "Honigdorf"), so dass der Ansatz von Seeg durchaus originell und Erfolg versprechend ist.
Allerdings wird man sich anstrengen müssen, den Besuchern etwas Besonderes zu bieten, denn allein in Deutschland bestehen schon eine ganze Reihe von Museen, welche die Bienen als zentrales Thema haben oder diesen zumindest einen Teil ihrer Ausstellung widmen. (Links zu Bienenmuseen weltweit hier.) 
Das "Deutsche Bienenmuseum" steht in Weimar und kann auf eine schon hundertjährige Tradition zurückblicken (Gründung 1910!). Ungeachtet einer sehr viel längeren Tradition organisierter Imkerei erscheint ein Bienenmuseum in der Stadt der Deutschen Klassik einigermaßen deplatziert. Weimar-Reisende werden es weder kennen, noch sich brennend dafür interessieren oder ihre Zeit in der Stadt Goethes für den Besuch eines Bienenmuseums verwenden wollen. Tatsächlich musste denn auch das Museum im Jahre 2003 aus finanziellen Gründen schließen. Jedoch wurde es am 01.04.2005 unter der Trägerschaft des "Landesverbandes Thüringer Imker e.V.", mit Unterstützung des Deutschen Imkerbundes neu eröffnet. Vielleicht könnte man ja das Museum nach Seeg translozieren? Nicht die Thüringer Imker, wohl aber der Deutsche Imkerbund sollte ein Interesse daran haben, dem Museum möglichst bundesweit (und evtl. sogar über die Grenzen Deutschlands hinaus) eine größtmögliche Resonanz zu verschaffen. (Und Verbandstreffen im schönen Allgäu wären ja auch nicht zu verachten ... .)  In Seeg wären die Voraussetzungen für ein breiteres Interesse der Öffentlichkeit mit Sicherheit besser als in Weimar. Wenn überhaupt eine Chance für eine Verlagerung besteht, müsste allerdings die Gemeinde Seeg oder private Förderer dafür wohl eine Menge Geld in die Hand nehmen.
Nordhessen bietet ein Bienenmuseum im Knüllwald (auf dessen Webseite hier eine interessante Beschreibung der 'sozialistischen Bienenwirtschaft', bei der auch "Bienenwanderwagen" zum Einsatz kamen).
Noch näher liegt für Süddeutsche das Bienenkundemuseum in Münstertal im südlichen Schwarzwald.

Mikroskop-Aufnahmen von Organen der Bienen (Augen, Stachel usw.) und Pflanzen (Pollen usw.) fallen wahrscheinlich aus dem Rahmen dessen heraus, was man 'überall' sehen kann und wären daher wohl ein geeignetes Differenzierungsmerkmal.

Etwas kühner (kostspieliger) ist die Vorstellung, dass die Robotik-Teams, die an verschiedenen Universitäten bestehen und miteinander um neuartige Anwendungen wetteifern, Roboter konstruieren, die Bienentänze durchführen. Einem solchen "Gag" wäre ein breites Interesse und eine werbewirksame Medienpräsenz jedenfalls sicher.

Im Sinne einer möglichst umfassenden Positionierung als "Honigdorf" wäre auch in der Gemeindebücherei eine entsprechende Schwerpunktbildung mit Belletristik und Fachbüchern zum Thema "Bienen" sinnvoll.


Notwendig ist es leider auch, die Verbraucher vor Etikettenschwindel zu warnen.
Tödlichen Honig gibt es auch - für Säuglinge nämlich.
Im Übrigen informiert das "Lebensmittellexikon" ausführlich über Inhaltsstoffe des Honigs, verschiedene Sorten, die Gewinnung und andere Aspekte.


Bienen und Honig sind natürlich auch Objekte akademischer Forschung (auch hier).

Umfassende Informationen (auf Deutsch und Englisch) zum Thema offeriert die deutsche (private) Webseite "Bee-Info"; dort auch eine umfangreiche Linksammlung.
Im "Open Directory Project" finden sich einige deutschsprachige und sehr viel mehr englischsprachige Links.


Einen "Bienen-Wiki" findet man im Netz natürlich ebenfalls.

Besonders rührig ist der Imkerverein  in Dietmannsried (Ober-)Allgäu. Unter anderem hat er ein sehr ausführliches Lexikon zum Thema erarbeitet und online verfügbar gemacht. Pech für die Dietmannsrieder, dass die nicht auf die Idee zu einem Honigdorf gekommen sind.
Der Bienenzuchtverein  in Seeg hat zwar ebenfalls eine Webseite, doch die ist inhaltlich deutlich weniger ambitioniert.

 Der (türkischen) Spielfilm mit dem Titel "Honig" wird sehr positiv bewertet und hat bei der Berlinale 2010 sogar den Goldenen Bären erhalten. Aus Griechenland kommt der Film "Der Bienenzüchter".


Und weil wir gerade bei den bewegten Bildern sind, bette ich nachfolgend einige YouTube Bienen-Videos ein.

Technisch interessant als Nahaufnahme in guter Qualität; inhaltlich weniger ist "Honey Bee - In High Definition":


"Microscoper: Honey Bee Mouth Parts" ist ein Beispiel für mikroskopische Bienenaufnahmen:


Noch spannender finde ich freilich "A Tour of a Bee", lt. Beschreibung "One of the very first movies made with an electron microscope":


"Best bee in UltraSlo slow motion macro" zeigt eine Biene auf einer Blüte:


Bienentanzvideos sind zahlreich vertreten; das "Bee Dance (Waggle Dance)", bei dem leider die Einbettungsfunktion deaktiviert ist, sticht dadurch hervor, dass die Bewegungen der tanzenden Biene nachgezeichnet werden.
So auch bei diesem (längeren) Videofilm "Bee waggle dance":


"Honey Bee - an Architectural Marvel" ist eine Art Zeichentrickfilm; auf diese Weise lassen sich Bau und Funktionen des Bienenkörpers sehr viel deutlicher präsentieren als mit echten Aufnahmen. Bei dem Video handelt es sich offenbar um ein Kapitel aus dem Film "Silence of the Bees" (weitere Episoden daraus z. B. hier).




Nachtrag 22.07.2011
"Honigdorf kann kommen" meldet der Kreisbote vom 21.07.2011:
"Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kempten, allgäuweit für die Beratung und Bewilligung von Leader-Projekten zuständig, hat grünes Licht für die Entwicklung des „Honigdorfes Seeg“ gegeben. Das berichtet Susanne Kettemer, Sprecherin des Landratsamts. Leader ist ein Programm der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Knapp 200.000 Euro an EU-Geldern gehen so an die Gemeinde. "




Textstand vom 22.07.2011

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