Das große traufständige Gebäude in der Füssener Hauptstraße (Fußgängerzone), der "Reichenstraße" (aus "Des Reiches Straße"), ist für mich eine der großen Sehenswürdigkeiten der Stadt, auch wenn die Bemalung modern ist (s. u.). Leider konnte ich im Internet nichts darüber in Erfahrung bringen, wie es zur Fassadenbemalung kam. Die Apotheke hat zwar eine Internetpräsenz, aber die beschränkt sich auf eine einzige Webseite, auf der noch nicht einmal die Öffnungszeiten verzeichnet sind.
Laut Signatur des Künstlers Edgar Mahler wurde sie im Jahr 1996 bemalt. Anscheinend erfolgte die Bemalung mit Architektur- und anderen Motiven aus der Zeit der italienischen Renaissance bzw. des Manierismus zu diesem Zeitpunkt erstmalig. Antik ist sie jedenfalls nicht. In dieser Biographie des früheren Apothekeneigentümers ist auch eine Aufnahme des Gebäudes von etwa 1890 abgebildet, auf dem die Fassade noch ganz anders aussieht. Auch erfahren wir dort, dass das Gebäude im Jahr 1954 umgebaut wurde, aber damals offenbar noch nicht bemalt (sonst hätte die Autorin Ruth Michelbach, Leiterin des Füssener Stadtarchivs, das sicherlich erwähnt):
Unter einem pompösen, in Trompe-l'oeil-Malerei produzierten Baldachin steht ein lateinischer Text, von dem ich wenigstens so viel verstehe, dass das Gebäude in alten Zeiten viele berühmte Personen beherbergt hat (war es ein Gasthaus/Hotel?). Dass schon römische Legionäre dort übernachtet haben, möchte ich eher bezweifeln; ansonsten mag es stimmen. Und Leser(innen), deren Lateinkenntnisse besser sind als meine, dürfen in den Kommentaren gern eine deutsche Übersetzung beisteuern.
Auch der Humor kommt hier vor; man wird ihn aber nur wahrnehmen, wenn man die Fassade längere Zeit betrachtet. So viel Geduld bringe ich normaler Weise nicht auf; aber wenn die Göttergattin die Geschäfte plündert (egal, ob mit dem Portemonnaie oder nur mit den Augen), bleibt Mister "Wir-müssen-draußen-warten" nichts anderes übrig, als sich vor lauter Langeweile mit den Details seiner Umgebung zu beschäftigen.
(Das vorstehende Foto hatte ich früher bereits in diesem Blott präsentiert, aber es wäre doch schade, deshalb im vorliegenden Eintrag speziell über die Stadtapotheke darauf zu verzichten.)
Interessantere Motive erschließen sich freilich, wenn man näher an die Apotheke herangeht (hier: Seitenwand des Ladeneingangs auf der - von vorn - linken Seite des Gebäudes):
Auf der rechten Seite befindet sich der Eingang zu den Wohnungen über dem Ladengeschäft der Apotheke. Auch hier sind die beiden Seitenwände verspiegelt und die Spiegel erfreuen die aufmerksamen Betrachter mit eingeätzten Figuren:
Das Motiv der bösen Schlange (oder soll es hier das medizinische Symbol der Äskulapnatter sein?) findet sich auch in dem Gitterwerk im oberen Teil der Schaufenster:
Drinnen im Laden begegnen uns allerlei getrocknetes Getier und andere exotische Sachen und Symbole:
Selbstverständlich sind auch hier die Schlangen allgegenwärtig:
Schaut dieses Eckchen nicht richtig traulich-heimelich aus? Ich gehe jede Wette ein, dass Ihr Wohnzimmer nicht so gemütlich dekoriert ist ;-) !
Ob hier schon die Sissi Brustkaramellen gekauft hat? Bzw.: Wozu hätte die Sissi Brustkaramellen benötigt? Unziemliche Frage, meinen Sie? Nun ja, ich gebe es zu: die Dosen werden auch mit anderen Aufklebern verkauft, z. B. mit Ludwig II, oder mit den örtlichen Sehenswürdigkeiten. Aber dass ich hier das Foto derjenigen Brustkaramellendosen einstelle, auf denen die Sissy abgebildet ist: das hätten Sie sich bei mir ja denken können, nicht wahr?
Dass die Sissi auch Füssen besucht hat, ist verbürgt. Sie kam von Norden mit der Bahn - genau wie wir. Und entstammte übrigens der Wittelsbacher Nebenlinie Gelnhausen-Dingsbums. Gelnhausen ist zwar eine interessante Stadt, aber die Sissy war wohl nie dort.
Ja und wo bleibt das verdammte Krokodil, mit dem ich Sie (vielleicht) zur Lektüre dieses Artikels geködert habe? Ausgerechnet das fehlt unter all den exotischen Tieren in der Stadtapotheke!
In meiner Vorstellung jedoch gehört zu alten (oder im alten Stil eingerichteten) Apotheken ein Krokodil; vielleicht deshalb, weil ich etwas Ähnliches aus Fulda kenne (auch wenn da früher keine Apotheke, sondern eine Drogerie drin war, die ihrerseits schon lange einer Kneipe Platz gemacht hat).
Tatsächlich gibt es (in Leer) sogar eine Apotheke mit dem Namen "Krokodil-Apotheke". Auch wenn die Firmengeschichte auf deren Webseite die Namensentstehung nicht erläutert, habe ich keinen Zweifel, dass in jener Apotheke irgendwann mal ein Krokodil vom Nil an der Decke baumelte.
Im Apothekenmuseum im Heidelberger Schloss hängt es jedenfalls noch, das Krokodil (wenn auch auf dem dort abgebildeten Miniatur-Photo nur schwer zu erkennen). Zum Sinn und Zweck der Apotheken-Krokodile erfahren wir dort (meine Hervorhebung).:
"Bild-Nr. 43 Inszenierung einer Offizin mit Mobiliar der Hof-Apotheke Bamberg. Das Krokodil über dem Rezepturtisch kann als eine Art frühes "Marketing" verstanden werden. Es stellte beim Apothekenkunden mit einem Blick, die Assoziation her, dass der Apotheker seine Rohstoffe aus fernen Ländern bezog."
Freilich wäre in dem (relativ kleinen) Verkaufsraum der Füssener Stadtapotheke kaum noch Platz für das große Reptil vom Nil.
Meine Aufnahmen sind zu verschiedenen Zeitpunkten entstanden. Zuletzt habe ich die Füssener Stadtapotheke bei unserem Besuch des Nikolausmarktes fotografiert (vgl. den Blott "Nikolausmarkt in Füssen"). Hier das Haus zur Zeit der Dämmerung .....
..... und so schaut die lichterfunkelnde Apothekenfassade bei Dunkelheit aus:
Eine hübsche Weihnachtsdekoration, nicht wahr?
Also, wenn Sie mal krank sein sollten (was ich natürlich nicht hoffen will, toi, toi, toi): Kommen Sie nach Füssen und kaufen Sie dort Ihre Medikamente in der Stadtapotheke ein! Beim Anblick von soviel Schönheit kann eine rasche Genesung unmöglich ausbleiben.
Es gibt übrigens allein in der Füssener Altstadt gleich drei Apotheken: eine weiter nördlich in der Reichenstraße und die dritte auf dem Weg zum Bahnhof. Dazu kommt eine weitere in dem Neubaugebiet im westlichen Füssen: insgesamt muss die Stadt also vier Apotheken ernähren. Das wäre in Zeiten des Internethandels schwierig, hätte man nicht, wie die Italiener sagen, einen "santo in paradiso", d. h. einen Klientelpolitiker an den Schalthebeln der Macht.
In diesem Fall handelt es sich um Daniel Bahr, den Gesundheitsminister der Liberalen, der nach bestem griechischen Vorbild seine Wählerklientel bedient. Zwar nicht mit Geld aus dem Steuersäckel, aber dafür ohne Umweg direkt mit dem Geld der Bürger. Zu diesem Zweck plant er, den Medikamentenhandel im Internet für die Verbraucher finanziell unattraktiv zu machen.
Aus Sicht der Konsumenten wäre es daher vielleicht besser, anstelle eines Krokodils den Daniel Bahr unter irgendeine Apothekendecke zu hängen: dann kann er nicht mehr in unsere Krokodillederportemonnaies beißen.
Alternativ könnte man ihn natürlich auch nach Griechenland verbannen; dann sind die Klientelisten unter sich.
Nachtrag 09.01.2017
Bereits vor einiger Zeit wurde das Ladenlokal innen umgebaut. Der Raum für die Kundschaft und der Gesamtraum sind jetzt größer geworden. Das nimmt ihm (obwohl die alten Dekorationsstücke noch aufgehängt sind) die frühere "gruselige" Atmosphäre.
Textstand vom 09.01.2017
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