In der Nacht ist es dunkel.
Aber die Berliner sind helle.
Die beleuchten ihre Straßen, z. B. hier in der Parchimer Allee, mit Peitschenmasten.
Die Leuchtkörper auf diesen Masten [die erste Laterne im vorigen Foto sowie die nachfolgende könnten "Gas-Reihenleuchten" sein; vgl. dazu die Gasleuchten-Typologie auf der Webseite Gaslicht-Kultur]] bieten ihren Befliegern einen vorzüglichen Aussichtspunkt; hier sehen wir die Bildkomposition "Zwei Vögel in Betrachtung des Berliner Domes":
Den Fachausdruck für diese Art von Laternen in der Nähe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche (zwischen Kurfürstendamm und Budapester Straße gelegen) kenne ich leider nicht; jedenfalls handelt es sich offenbar um eine elektrische Beleuchtung, die aber gleichwohl ein stimmungsvolles Licht erzeugen soll:
Diese Straßenlampen am Spandauer Damm, gegenüber vom Schloss Charlottenburg (die Kuppel gehört zu einem der sog. "Stülerbauten", die heute als Museen genutzt werden) sehen wie Gaslaternen aus: Allerdings weiß ich nicht, ob sie wirklich noch mit Gas betrieben werden oder, zur besseren Ausleuchtung der verkehrsreichen Straße, mit Strom.
In der gleichen Gegend sieht man aber noch schönere Exemplare:
Hier nun endlich auch mit der Schlosskuppel im Hintergrund:
Auf jeden Fall gibt es (lt. Wikipedia) noch ca. 44.000 Gaslaternen in Berlin; eine davon direkt vor unserer Ferienwohnung im Trappenpfad:
Im dorthin führenden Laubsängerweg schmiegen sie sich der sanften Straßenbiegung an:
Auch den Botanischen Garten erleuchten bei Bedarf Gaslaternen:
Noch schöner als ihre am Tage sichtbaren verschnörkelten Formen ist natürlich ihr Leuchten in der Nacht. In Berlin wurde (im Tiergarten-Zipfel am gleichnamigen S-Bahnhof) sogar ein Gaslaternen-Freilichtmuseum eingerichtet.
Obwohl auf diesen Wegen recht zahlreich Radfahrer unterwegs waren, haben wir uns in der Dunkelheit nicht allzu weit vorgewagt. Nachfolgend eine Auswahl dessen, was meine Kamerlinse gesehen hat:
Nachträge 16.05.2012
Die Gasleuchten sind kostenintensiv. Daher sollen sie in Berlin zum allergrößten Teil durch Elektroleuchten ersetzt werden. Die Wartungskosten von Gaslaternen betragen das 11-fache von Elektrolaternen (vgl. ZEIT-Artikel "Energie Stadt ohne Glühstrumpf. Protest in Berlin: Der Senat will die Gaslaternen loswerden!" vom 19.01.2009): "Die Wartung einer Gaslampe kostet im Schnitt 546 Euro pro Jahr, die einer elektrischen Lampe 43 Euro."
Das verschweigen uns die Freunde der Gasbeleuchtung, die u. a. mit ihrer (in anderer Hinsicht durchaus informativen) Webseite "Gaslicht-Kultur" für die Erhaltung der Gaslaternen kämpfen. In einem Kostenvergleich auf der Unterseite "Argumente" wird lediglich auf die reinen Energiekosten abgestellt, die ebenfalls bei Gaslicht exorbitant höher sind als bei elektrischer Beleuchtung:
"Die Mehrkosten gegen über Strom betragen bei Gaslicht im Schnitt 190 € pro Leuchte und Jahr, d.h. bei 8.400 Gas-Reihenleuchten, die als erster Schritt in Berlin abgebaut werden sollen, sind das rechnerisch 1,7 Mio. € Einsparung im Jahr. Die für die Umrüstung dieser 8.400 Gas-Reihenleuchten vom Abgeordnetenhaus bewilligten 29,5 Mio. € ergeben somit Umrüstungskosten von 3.500 € pro Gasleuchte. Eine Amortisation ist daher bereits ohne Zinszahlungen erst in 17 bis 18 Jahren möglich. Zu diesem Zeitpunkt ist aber schon mehr als die Hälfte der durchschnittlichen Lebensdauer der neuen Maste überschritten, die der Leuchtköpfe nahezu abgelaufen."
Rechnet man dazu den Differenzaufwand bei der Wartung von 500,- € pro Laterne, kommt man für 8.400 Gasleuchten auf 4,2 Mio. € zusätzlicher Einsparung. In der Summe also 1,7 Mio. + 4,2 Mio. = 5,9 Mio. EINGESPARTER STEUERGELDER.
Somit amortisiert sich die Umstellung bereits in gut 5 Jahren! (30,- Mio. Umrüstungskosten : 6 Mio. jährlicher Einsparung).
Ich liebe das Gaslicht, aber ich liebe auch mein (Steuer-)Geld, und möchte es nicht vom Staat verheizt sehen. Vor allen Dingen möchte ich ich nicht belügen lassen, auch nicht von der Gaslaternen-Lobby.
Weitere Infos und Links zu den Gaslaternen in Berlin und zum geplanten bzw. begonnenen Abbau:
- "Bald Denkmal? Neuer Vorstoß für Gaslaternen" Der Tagesspiegel vom 22.10.2011 berichtet über Forderungen, den Berliner Bestand an Gaslaternen ganz oder großenteils unter Denkmalschutz zu stellen.
- "Leuchtdioden mit nostalgischem Flair. Energiesparende Lampen aus Brandenburg könnten historische Gaslaternen in Berlin ersetzen" Märkische Allgemeine vom 04.01.2012.
- "Alte Gaslaternen kosten Berlin sechs Millionen Euro". Dieser Artikel der Berliner Morgenpost vom 02.04.2012 informiert uns darüber, warum der Austausch der Straßenlampen nicht wie geplant (vgl. oben den ZEIT-Artikel aus 2009!) bereits früher erfolgt ist.
- "Schwierige Lichtverhältnisse. Streit um Gaslaternen" Der Tagesspiegel 04.04.12
- "Neue Lampen. In Berlin gehen die Gaslaternen aus" Kurzmeldung der BZ vom 15.05.2012.
- "Berlin will tausende Gaslaternen verschrotten" Berliner Morgenpost vom gleichen Datum.
- "Hauptstadt: Neuer Leuchtstoff soll Kosten und CO2-Belastung verringern. Berlin ersetzt Gaslaternen" Ein Artikel des Mannheimer Morgen vom 16.05.12 auf dem Nachrichtenportal fnweb.
- "Berliner Stadtentwicklung. LED-Leuchten ersetzen Gaslaternen" Berliner Zeitung 16.05.12. Dass es gerade KEINE LED-Leuchten sind, kann man dann im Artikel nachlesen (meine Hervorhebung): "... im Juni beginnt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung damit, rund 8000 Gasleuchten [vom Typus der Gasreihenleuchten] abzubauen. Sie werden durch Leuchtstofflampen vom Typ Jessica 800 ersetzt, die von Se’lux [Semperlux AG] in Marienfelde hergestellt werden.". Allerdings soll eine weitere Tranche - vom Typus der Aufsatzleuchten - dann tatsächlich durch LED-Lampen ersetzt werden: vgl. den o. a. Bericht Nr. 2 in der Märkischen Allgemeinen. Das aber wohl erst, wie wiederum dem vorliegenden Artikel zu entnehmen, ab dem Jahr 2016: "2016 will der Senat dann daran gehen, die mehr als 30 700 Gasaufsatzleuchten (erkennbar an ihrem runden Querschnitt) abzubauen. Sie werden durch LED-Leuchten ersetzt – falls es diese dann endlich zu erschwinglichen Preisen gibt."
Webseiten zum Thema:
- Pro Gaslicht (nicht nur auf Berlin bezogen, sondern berichtet auch über die Lage in anderen Städten)
- "Gaslicht-ist-Berlin" fordert vehement, dass der Staat doch bitte weiterhin Steuermillionen für das ach so heimelige Gaslicht verheizen möge
- Die unehrliche Kostenrechnung auf der Webseite Gaslicht-Kultur hatte ich schon oben kritisiert. Interessant ist aber diese Unterseite mit einer Typologie der Berliner Gasleuchten.
- Ein privates (und anscheinend ein sehr informatives) Portal sind die "Berliner Verkehrsseiten". Auch die muss man wohl den Gaslicht-Lobbyisten zurechnen; aber davon unabhängig bringen sie auf mehreren Unterseiten (Einstieg hier) eine Fülle von Informationen über Geschichte, Lampentypen und Technik. Interessant insbesondere zwei Artikel zur Funktionsweise (Wie brennen sie? Wie werden sie angezündet?) der Gaslaternen.
Videos:
"Vom Tiergarten & Gaslaternen-Museum [ab Minute 6.20] Berlin":
und "Gas-Reihenleuchte - Industriedenkmal in Berlin, Düsseldorf und Frankfurt":
Nachtrag 26.05.2012
Einen geradezu ekelhaften Propagandaartikel hat in der FAZ vom ein gewisser Gerwin Zohlen zusammengeschmiert: "Berlins Zauber Rettet die alten Leuchten!". Auszug: "Wie seinerzeit Jane Jacobs, die legendäre amerikanische Stadtsoziologin der sechziger Jahre, kann man den düsteren Horizont eines vogellosen Frühlings aufziehen sehen, wenn diesem Massentöten kein Ende gesetzt wird." Angeblich sterben an einer elektrischen Laterne allnächtlich 150 Insekten, an Gaslampen wegen der anderen Art des Lichts keine. Tut mir ja echt sorry, aber nach dem Horrorszenario vom Meister Zohlen müssten sämtliche elektrisch beleuchteten Städte (und das sind beinahe alle in der Welt) schon längst vogelfrei sein sein: offensichtlicher Humbug. Auch sonst schiebt er die Ökologie vor und verschweigt, dass es ganz entscheidend um Geld geht: unsere Steuergelder nämlich (s. o.). Die vielfach höheren Wartungskosten bei den Gaslaternen erwähnt er gar nicht erst, lediglich die Energiekosten streift er flüchtig. Dieser Artikel hat nicht einmal BILD-Niveau!
Textstand vom 26.05.2012. Fotos können durch Anklicken vergrößert werden.
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