Montag, 19. Juli 2021

Mozart war hier - und nunmehr auch wir: Wasserburg am Inn


60 m Höhenunterschied waren zu überwinden, um auf einem Weg von der stadtfernen Seite der Innebrücke aus schräg entlang der "Innleite" (so nennt man die Hänge, zwischen die der Fluß sein Bett gegraben hat) die "Schöne Aussicht" zu erreichen.
Eigentlich nicht viel; aber das Alter und die fehlende Übung macht den Anstieg für uns doch etwas mühsam. Immerhin wurden wir schon unterwegs durch manche Durch-Blicke auf die Stadt belohnt (z. B. oben auf die Rathausgiebel).
Geologische und touristische Informationen zu diesem sehr bekannten Aussichtspunkt bietet die Webseite der Stadt.

Was unten wie Kalkfelsen aussieht (wie wir sie z. B. aus dem Altmühltal kennen), ist in Wirklichkeit nur ein Sand-Lehm-Gemisch einer Moränenzone. Angesichts der heute urwaldartigen Vegetation staunt man, wenn man erfährt, dass die Uferhänge bis in die 1930er Jahre nahezu vegetationsfrei waren. Damals war der Inn noch nicht gebändigt, und was am Hang angewachsen war, wurde immer wieder durch Bergrutsche weggetragen. Damals jedoch wurde der Flusslauf gesichert. Nun rutschte der Hang rutschte nicht mehr wie früher ab und es entwickelte sich ein urwaldartiger Bewuchs, der den Boden natürlich seinerseits festigt:
 
Wasserburg am Inn (ein anderes "Wasserburg" gibt es, ebenfalls in Bayern, bei Lindau am Bodensee) war schon seit langem einer meiner Sehnsuchtsorte gewesen. Große Hoffnung, dort hinzukommen hatte ich freilich nicht mehr. Jedoch kam mir jetzt dieses Angebot der Füssener Volkshochschule zu Hilfe:
 
Die Tour war gut gebucht; aber wir bekamen noch Plätze.
Ausgeladen wurden wir auf dem Parkplatz am Gries, ganz nahe an der Altstadt. 

Von dort führte unsere Stadtführerin (über die es sogar einen Bericht in der dortigen Lokalzeitung gibt: "Traudl Inninger – Auf Tour mit Charme und Wissen. Ein Glücksfall für die Stadt") zunächst zum Hochwasser-Schutzdeich an den Inn. Dieser Hochwasserschutz wurde erst 1988 angelegt. 
Das entnehme ich der Webseite der Stadtverwaltung, denn bei der Führung habe ich ständig fotografiert und nicht viel mitbekommen. Dafür war ich daheim fleißig und habe im Internet einiges recherchiert. Unter anderen stieß ich auf die Webseite des Heimatvereins Wasserburg. Der gibt (mit einigen Unterbrechungen schon seit fast einem Jahrhundert) Jahrbücher zur Ortsgeschichte heraus, die man dort als pdf-Dateien herunterladen kann. (Über die Vereinsgeschichte informiert Bd. 33/34 neuer Folge, der 2013 zum hundertjährigen Vereinsjubiläum erschienen ist. Dort auch ein Gesamtverzeichnis der bis dahin erschienenen Abhandlungen. Eine kurze Stadtgeschichte bildet den Inhalt des ersten Bandes n. F.)
Das Jahrbuch Nr. 6 n. F. von 1985  enthält einen Aufsatz "Zur Hydrogeologie eines Mäanders - Vorarbeiten zur Hochwasserfreilegung der Stadt Wasserburg". Ein wesentliches Problem beim Hochwasserschutz ist hier das Grundwasser. Das steigt mit den Wasserständen des Inn natürlich ebenfalls an und muss abgepumpt werden, damit der Deich überhaupt etwas nützt.
 
 
"1988 fielen das 20-jährige Bestehen des Kunstvereins Arbeitskreis 68 (AK 68) und die 850 Jahrfeier der Stadt Wasserburg zusammen. Um beide Jubiläen zu würdigen, entstand auf Initiative von Ute Lechner und Hans Thurner in Zusammenarbeit mit der Stadt Wasserburg am Inn der Wasserburger Skulpturenweg" erfährt man auf der Wasserburg-Webseite (Plan hier). Und weiß damit, wie beiden Arbeiten links im Vorderegrund und rechts im Mittelgrund dort hingekommen sind.


Nachfolgend einige Impressionen von unserem Stadtrundgang, je nach Bedarf mit oder ohne Erläuterung.


Das Rathaus ist, dank zweier historisch ausgemalter Säle, auch ein beliebter Ort für Trauungen; links vor dem großen Eingang erkennt man (wenn man das Foto durch Anklicken vergrößert) eine Hochzeitsgesellschaft:

Später, nach der Besichtigung des Rathauses, konnten wir eine (dieselbe?) Hochzeitsgesellschaft auch von innen durch die Rathaustür knipsen:
 
 
Unten das Rathaus zusammen mit der Frauenkirche. Deren gotischer Innenraum wurde im Rokoko ausgeschmückt. Üblicher Weise (so auch bei der Pfarrkirche St. Jakob) hat man solche Kirchen im 19. Jahrhundert wieder in den Ursprungszustand zurückzusetzen versucht; hier ist das erfreulicher Weise nicht geschehen.
Selbstverständlich informiert die Wikipedia über diesen Bau. 
Es gibt aber auch (staunenswertes Projekt für eine 13.000-Einwohner-Stadt!) ein "historisches Lexikon Wasserburg". Das ist ein laufendes Internet-Projekt; der umfangreiche Artikel über die Frauenkirche ist bereits fertiggestellt.

Fotos der Kirche, auch vom Innenraum, finden sich im Internet zahlreich. Darum hier von mir nur eines:
 
 
Die Rathausgasse zwischen einem neueren Rathausanbau (links), dem alten Rathaus (im Hintergrund) und der Kirche (rechts). Stützmauern wie hier rechts sieht man öfter bei älteren Gebäuden in der Stadt (vgl. Folgebild); vermutlich macht ist der sandige Untergrund nicht besonders tragfähig:



 
Im Hintergrund ragt der Turm der Hauptkirche (Pfarrkirche) von Wasserburg auf, St. Jakob. Das weiße Gebäude rechts (Herrengasse 1) beherbergt u. a. den Gasthof Weißes Rößl. Das Gebäude stammt aus dem 17. Jahrhundert; die Sgraffito-Fresken wurden jedoch erst 1989/90 hinzugefügt.
 
Dieser "Lebensbaum" an der Chorwand der Jakobskirche ist alt und neu zugleich: 
"Das monumentale Wandgemälde an der Schräge zwischen Ost- und Südostfassade des Chors ist aufgrund der durchgreifenden Renovierungen bzw. Neuausführungen in den Jahren 1864, 1929, 1957 und 1976 nur noch inhaltlich von Interesse, eine Bewertung von Stil und Qualität der ursprünglichen Malerei ist nicht mehr möglich ....." erfahren wir im Historischen Lexikon Wasserburg unter dem Stichwort "St. Jakob":
 
Wer noch mehr wissen will, als dort geschrieben steht, dem kann geholfen werden: Mit dem Aufsatz "Der sogenannte "Lebensbaum" an der Außenwand des Chores von St. Jakob in Wasserburg am Inn. Kurzer Abriß seiner Geschichte und Versuch einer Deutung seines ikonographischen Programms" von Theodor Feulner, erschienen im Heimatbuch Nr. 2 n. F. von 1981 (und auf der Vereinswebseite auch separat runterladbar). Auf schlappen 70 Seiten erfahren einschlägig Interessiert (vermutlich) alles, was sie immer schon wissen wollten, aber nie zu fragen wagten.😇
Zur der Gründung und Baufinanzierung der Jakobskirche gibt es eine hübsche Sage: Der Bau sei von einer Gräfin gelobt worden, die ihn auch ziemlich weit voranbrachte. Dann jedoch wurde ihr Mann besiegt und verlor seine Grafschaft, wodurch auch ihr die Mittel zur Vollendung der Kirche genommen waren. So setzte sich die hohe Frau als Bettlerin an die Kirchentür und bat um Spenden für den Weiterbau. Logisch, dass eine solche Selbstverleugnung schon damals das Herz der Menschen rührte und die Spenden reichlich flossen.
Erstmalig erwähnt wird die Kirche 1255; wenige Jahre vorher (1247) hatte tatsächlich ein Bayernherzog die Burg des Grafen von Wasserburg lange Wochen belagert und dann erobert; die Grafschaft hatte er seinem Lande einverleibt. Es ist also zu vermuten, dass der erste Bau der Kirche in diese Zeit fiel und damit den historischen Kern dieser Legende lieferte.

Nicht Teil der Stadttour war diese Ruhepause auf dem Platz "Hofstatt":

In Wasserburg gibt es genügend öffentliche, aber auch eine Reihe privater "netter" Toiletten. So dass man sich die Zahlung eines Bußgeldes für unerlaubte Geschäftsverrichtung in diesem Durchgang ersparen kann:

Ich aber habe nunmehr das dringende Bedürfnis, jenes Haus zu sehen, wo  Wolfgang Amadeus Mozart auf seinen Durchreisen durch Wasserburg gelegentlich übernachtet hat.
Wenn man heute von Salzburg nach Westen (München usw.) reisen will, dann liegt Wasserburg weit ab vom Schuss. Das war damals anders; da führte die Reiseroute schon deshalb über (durch) Wasserburg, weil es sonst keine Innbrücke gab. 

Im Gasthaus zum Goldenen Stern hat er übernachtet; das ist das beigefarbene Gebäude rechts am Ende der Färbergasse, Ecke Schustergasse:

 
Hier sehen wir die Straße vom anderen Ende aus; links der ehemalige "Goldene Stern".
 
Außer als Übernachtungsort auf der Durchreise hatte Wasserburg zwar keine größere Bedeutung im Leben Mozarts. Trotzdem bin ich etwas enttäuscht von der Dürftigkeit der Informationsseite der Stadtverwaltung über Mozart in Wasserburg.

Dabei gibt es sogar ein ganzes Buch über "Mozart in Wasserburg", verfasst von Willi Birkmaier und erschienen 1990. Das ist aber sicherlich mit allgemeinen Informationen zum Reisen in der damaligen Zeit aufgebläht; jedenfalls erfahren wir auf einer privaten Webseite unter Mozart in Wasserburg (über seine Aufenthalte 1763 und 1777): "Das inzwischen vergriffene Mozart in Wasserburg ist nicht nur für den Lokalpatrioten und Mozartfans von Interesse. Es zeigt sehr viel über die Art des Reisens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Mitteleuropa."

Was ich so finden konnte, habe ich nachfolgend zu Nutz und Frommen meiner Leserinnen und Leser zusammengestellt:
 
Reisenotiz von Leopold Mozart über den Wasserburg-Aufenthalt 1763

Ausführlicher Brief von Leopold Mozart an den Salzburger Vermieter und Freund der Familie, Lorenz Hagenauer, über den unfreiwilligen Kurzaufenthalt 1763 in Wasserburg. (In anderer Ausgabe hier.)
 

Brief Mozarts an den Vater von 1777 aus Wasserburg (in anderer Ausgabe hier)

Irgendwann werden Mozarts Briefe auf dieser Webseite in Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch erscheinen; derzeit jedoch ergibt die Suche nach "Wasserburg" noch keinen Treffer.

Erwähnungen im größeren Texten über Reisen von Mozart:

 
Ebenfalls eine umfassende und lesenswerte Darstellung: "Von Fettmännchen und Speziestalern, oder: Leopold Mozart als Tourmanager".
 
"Mozart auf der Reise durch Europa" (Traunsteiner Tageblatt vom 24.12.2004) berichtet u. a. von einer Reise Mozarts 1780, die ihn u. a. auch wieder durch Wasserburg geführt hat (anscheinend ohne Übernachtung). Allerdings geht es dort nicht um die Stadt, sondern das unkomfortable Reisen in der damaligen Zeit (Zitat Mozart):
"Dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! Und die Sitze hart wie Stein! Von Wasserburg an glaubte ich in der Tat meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können, er war ganz schwielig – und vermutlich feuerrot. Zwei ganze Posten [Etappen von jeweils rund 25 km] fuhr ich die Hände auf dem Polster gestützt und den Hintern in der Luft haltend – doch genug davon! Aber zur Regel wird es mir sein, lieber zu Fuß zu gehen, als in einem solchen Postwagen zu fahren."

Unser Bus war zum Glück um einiges komfortabler; so konnten wir den Stadtrundgang fortsetzen. Wie für die Innstädte üblich, gibt es (nach italienischem Vorbild) auch in Wasserburg einige Arkaden oder "Laubengänge":
 
 
Hier das Brückentor ("Brucktor") von der Stadtseite aus gesehen:

 
Eine ganz besondere Sehenswürdigkeit ist das im Rokoko reich geschmückte "Kernhaus":
 
Alte Männer sollen sich nicht mit nackten Weibern abgeben. 
Diese hier hat mich zu Fall gebracht!
Nicht im moralischen Sinne (das wäre ja nicht weiter schlimm 😈), sondern brutal-real!
Kunstsinnig, wie ich nun einmal bin, wollte ich die "Veritas" (angeblich symbolisiert durch Lukrezia Borgia) knipsen. Das gelang mir auch - doch dann habe ich mich voll auf den Fußboden gelegt, mitsamt meiner Kamera.
Es handelt sich um eines von zahlreichen Wandgemälden aus der Zeit des Historismus im Großen Rathaussaal. Der dient heute insbesondere als Veranstaltungs- und Konzertsaal. Der hinter Block der Stuhlreihen steht deshalb auf einem Podest. Und das hatte ich, völlig fasziniert von der schönen Nackten, leider vergessen.
Zum Glück hat sie aber auch eine barmherzige Seite: Außer einem nur wenig schmerzenden Oberarm ist mir - und vor allem auch meiner Kamera - nichts passiert. Mille grazie, Lukrezia! (Oder muss ich, weil euer Geschlecht ja spanischen Ursprungs ist, "muchas gracias" sagen?😏)
Was ich oben berichtet habe, ist übrigens die nackte Wahrheit
😝! Sie glauben doch hoffentlich nicht von mir, dass ich Sie belügen würde???
 
We immer dem auch sein mag: Diese Rathaustür ist echt vernagelt. Und das schon seit mehr als 100 Jahren.
Im Ersten Weltkrieg waren "Kriegsnagelungen" Mode in Deutschland. Von unseren häufigen Wochenend-Trips nach Mainz erinnere ich mich noch lebhaft an eine Nagelsäule, die damals  restaurierungsbedürftig war und im Jahr 2011 tatsächlich auch restauriert wurde.
Weniger bekannt ist vermutlich ein einschlägiges (gut erhaltenes oder restauriertes) Monument in Kaufbeuren:


In Wasserburg sind die Nägel unterschiedlich groß; hier gibt es eine Information über die "
Benagelung des Stadtlöwen der Eingangstür zum Rathaus": Diese erfolgte im Jahr 1915 zu Wohltätigkeitszwecken: "Auf vielerlei Weise wurde versucht, die Kriegsanstrengungen durch die Mobilisierung privaten Kapitals zu finanzieren. Die Zeichnung von Kriegsanleihen war ebenso „Ehrensache“ wie der Verkauf von Gold („Gold gab ich für Eisen“). Im Rahmen dieser Bestrebungen entstand, ausgehend von Norddeutschland eine „Nagelungsbewegung“. Feldmarschall Hindenburg, der „Held von Tannenberg“ setzte sich an die Spitze eines Aufrufes an alle Deutschen, der sie aufforderte, „durch Nagelung von Kriegswahrzeichen“ an einer umfassenden Hinterbliebenenfürsorge zu beteiligen. Der wohltätige Zweck sollte eine umfassende Solidarisierung der Bevölkerung bezwecken. Man entschloss sich in Wasserburg nicht einen „Eisernen Hindenburg“ wie in Berlin herzustellen, sondern das Wahrzeichen der Stadt an das Rathaustor zu nageln. ..... Zum Preis zwischen zehn Pfennig und fünf Mark konnte jeder Teilnehmer einen der ca. 4.000 vorhanden Nägel erwerben und unter sachkundiger Anleitung in die Eichentür einschlagen. Für die großen Nägel wurden bis zu 50 Mark je Stück bezahlt."
 
"Innsbruck, ich muß dich lassen,
Ich fahr dahin mein Straßen
In fremde Land dahin.
Mein Freud ist mir genommen,
Die ich nit weiß bekommen,
Wo ich im Elend bin."
 
Nun, ganz so unglücklich wie der Sänger dieses Liedes waren wir dann doch nicht; aber auch Wasserburg ist ja eine Innstadt, und wir haben einige angenehme Stunden dort verbracht. Also verabschiede ich mich mit einigen weiteren Fotos von der "Schönen Aussicht":



Hier die "Kapuzinerinsel"; im Hintergrund das "
Wasserburger Laufkraftwerk":

 
 
Textstand vom 19.07.2021

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