Donnerstag, 19. Juni 2014

Burgstall, Bäcker, Klosterbier: Das alles bietet Irsee dir!


 
Jene armen Seelen (Nacktwanderer, vermute ich!), welche auf einem Antependium am Altar in der Irseer Friedhofskirche St. Stephan umherirren, schwitzen Blut und Wasser.


Wir dagegen hatten es bei unserem Tagesausflug am Montag, dem 16.06.2014 entschieden besser getroffen: Wetter heiter bis wolkig, nicht zu warm und nicht zu kalt.

Der Fahrer des Linienbusses allerdings, der uns von Kaufbeuren nach Irsee brachte, hatte ein Problem mit uns - spaßiger Weise dasselbe, das auch wir hier in Schwangau gelegentlich mit Touristen haben, die uns nach dem Ortszentrum fragen.
Auf unseren Wunsch, im Zentrum von Irsee auszusteigen, meinte er, das sei ja ein Dorf, und ein richtiges Zentrum gebe es eigentlich nicht.
Seine Entscheidung, dass wir an der Haltestelle Kriegerdenkmal aussteigen sollten, erwies sich aber als richtig. Dort in der Nähe liegt das Rathaus (das uns freilich nicht interessierte) und das ehemalige Kloster, das wir besuchen wollten.

Leider habe ich es versäumt, mir das Kriegerdenkmal näher anzuschauen und Fotos davon aufzunehmen. Macht aber nichts, denn im Internet, in diesem Falle bei Wikimedia Commons,
findet sich das Gesuchte.
Der Name "Kriegerdenkmal" zeigt schon an, dass es sich um eine vor dem 2. Weltkrieg entstandene Gedenkstätte handeln muss. Danach war man der Kriegerei müde und nannte so etwas Gefallenendenkmal, Opferdenkmal usw.
Auch die Aufschrift "Unseren gefallenen Helden" war nach 1945 nicht mehr en vogue; vermutlich wurde hier einfach der Zeitraum 1939 - 1945 dem ursprünglichen Zeitraum für den ersten Weltkrieg - 1914 - 1918 - hinzugefügt.

Mehr darüber erfährt man vermutlich in dem Aufsatz
"Politische und religiöse Sinngebung des Gefallenengedenkens. Die Gedenktafeln und das Kriegerdenkmal in Markt Irsee" von
Katharina Weigand.
Veröffentlicht wurde er in dem 2001 erschienenen Buch "Totengedenken und Trauerkultur: Geschichte und Zukunft des Umgangs mit Verstorbenen" [Band 6 in der Reihe "Irseer Dialoge", Hrsg. Markwart Herzog (Wikipedia), (mittlerweile) Direktor der in den ehemaligen Klostergebäuden domizilierenden Schwabenakademie Irsee].
Auch das Inhaltsverzeichnis finden wir im Netz:
"
1. Gefallenengedenken in der ehemaligen Klosterkirche Irsee 219
2. Gefallenengedenken außerhalb der Kirche 228
3. Gefallenengedenken zwischen religiöser und politischer Sinngebung....234
"


Noch heute besteht im Ort ein Veteranenverein, der sich um die Pflege der Ehrenmale in der Gemeinde kümmert. Und im Übrigen mit Kanonen schießt. (Ich fürchte nur, dass unsere arg geschrumpfte Bundeswehr solchen Vereinen nicht mehr viel Nachwuchs liefert).


Was sich an Organisationen in den Klostergebäuden (deren Geschichte usw. auf der Homepage des Dorfes liebevoll beschrieben wird) so alles eingenistet hat, ist für den Außenstehenden etwas unübersichtlich. Da gibt es
  1. ein "Kloster Irsee. Schwäbisches Tagungs- und Bildungszentrum",
  2. eine "Schwabenakademie Irsee" und schließlich noch
  3. ein "Bildungswerk Irsee", eine "Einrichtung des Bayerischen Bezirketags"
Ich jedenfalls destilliere aus dieser üppigen Institutionenblüte die aufregende Erkenntnis, dass unser weiser Staat mit unseren Steuergeldern offensichtlich was anzufangen weiß. (Wäre ja auch traurig, wenn das ganze schöne Geld nutzlos in den Portemonnaies der Bürger herumliegen würde.)

Wie ein Maibaum manuell aufgerichtet wird, wissen meine Stammleserinnen und -leser ja bereits. Ob das in Irsee genauso gemacht wird wie in Schwangau, weiß ich nicht. Vergessen Sie einfach diese drängende Frage und genießen Sie lieber diesen "Bandeltanz am Maibaum":

 
Schön macht sich der Baum vor der doppeltürmigen Fassade der einstigen Klosterkirche ("heute Pfarrkirche mit den Patrozinien »Mariä Himmelfahrt« und »Peter und Paul« " erfahren wir auf der Webseite des Dorfes, die auch sonst erfreulich ausführlich über den Ort informiert)
 
Weil's so schön ist, hier noch eine Nahaufnahme von sechs Darstellungen am Baum:
Die Gewerbe Musiker, Arzt, Architekt, Sägewerk und Schreiner sind leicht zu identifizieren, aber wie kommt das Schiff an den Maibaum-Mast?
Nun, mit einem See hat dieses Segelshiff jedenfalls nichts zu tun, und ebenso wenig der Ortsname. Der leitet sich vielmehr aus dem Namen der einstigen örtlichen Feudalherren her, dem Geschlecht der Ursin(-Ronsberg).
Mag sein, dass dieser Name mit dem lateinischen "ursus" - Bär - zusammenhängt. Aber den auf der Gemeindeseite (und ausführlicher hier) fantasievoll vermuteten Zusammenhang mit der Römerherrschaft im Allgäu, die lediglich bis ca. 400 nach Christus bestand, kann man getrost ins Reich der Fabel verweisen.

Das Schiff am Maibaum ist auch insoweit ein "Ausreißer", als es keinerlei Bezug zu den örtlichen Gewerben hat. Vielmehr ist ein hochberühmtes Ausstattungsstück in der Klosterkirche in der Form eines Schiffsbuges gehalten: Die barocke Kanzel.
(Hier eine gut gelungenes Gesamtaufnahme bei Panoramio, weitere Fotos z. B. bei Wikimedia Commons.)

Meine eigenen Aufnahmen delektieren sich mehr an Details:
 
Interessant ist zum Beispiel der Spiegel über dem Kopf des Predigers:
 
Putzig sind die Putten, die hier in der Takelage des Segelschiffes umherklettern:
 
Nun bin ich freilich von der Reihenfolge unseres Rundgangs abgeschweift, denn die Kirche haben wir erst am Nachmittag besichtigt.
Zunächst wollten wir durch den Ort bummeln, und weil ich gelesen hatte, dass es dort ein Buchantiquariat (Christian Strobel) gibt, gingen wir zunächst dort vorbei.
Zwar handelt es sich nicht um ein Ladengeschäft, sondern ein Versandantiquariat, in dem man also nicht stöbern kann. Das wusste ich auch, aber ich als Büchersüchtiger wollte halt mal dran vorbeigehen. Auf diese Weise kam ich zumindest zu einer Aufnahme der Kirchengebäude von Nordwesten aus, über eine locker mit Obstbäumen bestandene Wiese:
 
Für mein Gefühl hat die Kirche außen .....
 
... wie innen ...

... etwas nüchtern-Rationalistisches.
Tatsächlich lesen wir denn auch von ausgeprägten naturwissenschaftlichen Interessen der Klostergemeinschaft:
"Wissenschaft und Bildung waren neben dem liturgischen Gebet und kluger Wirtschaft wichtige Schwerpunkte im Leben der Irseer Mönche. Vor allem die Naturwissenschaften fanden im 18. Jahrhundert neben Philosophie und Musik renommierte Repräsentanten unter den Mitgliedern des Irseer Konvents. Namen wie Ulrich Weiß, Candidus Wehrle, Ulrich Peutinger, Eugen Dobler oder Meinrad Spieß treten aus der Gemeinschaft der Patres hervor."

Mittlerweile sind wir auf dem lebhaft reliefierten Gelände des Dorfes ein wenig höher gestiegen und blicken zurück auf den Hahn, der die Maibaumspitze ziert:
 
Die ganze Gegend ist sehr kleinräumig gegliedert, was schon die kurvenreiche Anfahrt im Linienbus (Nr. 23) von Kaufbeuren (Abfahrt dort am Busbahnhof "Plärrer") über Kleinkemnnat (mit seiner "Imkerschule Schwaben") zu einem genussreichen Erlebnis macht. Eine Beschreibung auf der Seite Kloster-Irsee unter dem Titel "Atmosphäre. Kloster Irsee: Tage des Lichts" fängt die Atmosphäre von Landschaft und Kloster sehr gut ein.
 
Historisch ist Irsee gewissermaßen zweigeteilt: Ein erster Kern, heute "oberes Dorf" genannt, hatte sich um die Burg der Herren von Ursin gebildet. An jener Stelle steht heute der Friedhof mit der Friedhofskirche (bis zur Klosterauflösung Pfarrkirche) St. Stephan.
Die Herren stifteten ihr Burg an das Kloster, das aber schon nach kurzer Zeit wegen Wassermangel ins Tal verlegt wurde. (Chronologie des Klosters
hier; ausführlichere Schilderung der Klostergeschichte dort.)
 
Dieser Blick vom Friedhof auf die Turmspitzen der Klosterkirche vermittelt vielleicht eine Vorstellung vom Auf und Ab der Dorfstraßen und Dorfgassen:
 
 
Die Landschaft um Irsee (das mit ca. 750 m Höhenlage etwa 50m tiefer liegt als Schwangau) ist von den Eiszeiten geprägt. Die Gelehrten streiten aber anscheinend noch darüber, welche Formationen als Moränen anzusehen sind und welche als Schotter.
Für den Fall, dass Sie mit Ausdrücken wie "stratigraphisch-geomorphologischer Methode" oder "Pleistozän" etwas anfangen können, speichere ich hier Linkfunde zu zwei geologischen Fachaufsätzen: "Das Warmisrieder Feld" von Ingo Schäfer und "Die pleistozänen Schotter und Moränen zwischen oberem Mindel- und Wertachtal (Bayerisch-Schwaben)" von Konrad Rögner.
 
Was mich angeht bin ich schon froh, dass unser Schotter zum Kauf eines Bayerntickets und zum Abendessen im Irseer Klosterbräu langte. ;-)
 
 
Mein ADAC-Reiseführer Allgäu (Auflage von 2006, S. 67) nennt Irsee ein "kleines Künstlerdorf mit großartiger Klosterkirche". Das einzige andere (ehemalige) Künstlerdorf das ich kenne ist Kleinsassen in der Rhön, und dort geht es ebenfalls auf kleinem Raum auf und ab.
Nun waren freilich die Künstlerdörfer eine Modeerscheinung der Belle Epoque; heute haben sie sich in ihrem ursprünglichen Gehalt überlebt und werden allenfalls künstlich reanimiert (Kleinsassen) oder sind weitestgehend kommerziell orientiert (wie vermutlich Worpswede, das ich allerdings nicht aus eigener Anschauung kenne.)
 
In Irsee ist hier und da eine Skulptur in einem Garten zu sehen; ob die von ansässigen Künstlern erstellt oder irgendwo angekauft wurde, steht natürlich nicht angeschrieben.
Die Homepage des Ortes bewirbt diesen jedenfalls NICHT als Künstlerdorf. Sollte sich hier jemals der eine oder andere Künstler angesiedelt haben, dann ist er zwischenzeitlich wohl wieder weggezogen.
Die Zeiten des künstlerischen Ringens von genialisch-einsamen Malern vor magisch-einsamen Naturlandschaften sind halt vorbei. Heute wird, zur Inspiration oder einfach so, gekifft und gekokst, und im Übrigen fleißig Kunst produziert. Eher als die Einsamkeit suchen die Künstler heute die Nähe zu ihrer Klientel: Galeristen, Museumsleuten und Kunden, also die Marktnähe. (Freilich stellte der Markt wohl schon immer seine - wenn auch in jeder Epoche anderen - Forderungen an die Kunst.) 
 
Die Häuser des Dorfes stehen nicht langweilig in Reih und Glied, sondern sind auf dem Gemeindegebiet verstreut. Vorherrschend war bei unserem Rundgang ein beschwingter Eindruck von Gärten und Natur.
Sollte ich jemals einen Nervenzusammenbruch bekommen wäre Irsee der Ort, wo ich mich erholen möchte. (An Ferienwohnungen herrscht in dem 1400-Seelen-Ort kein Mangel). Hier ist alles entspannt, heiter, abwechslungsreich und (relativ) "naturbelassen". Das zumindest war mein Gefühl bei unserem Dorfspaziergang. Aber vielleicht war ich, warum auch immer, an diesem Tage emotional besonders empfänglich für den genius loci von Irsee.
 
Dieser Anblick freilich hat mich tief erschüttert:
Das jedoch nicht aus ästhetischen Gründen (auch wir trocknen unsere Wäsche auf dem Balkon), sondern weil mein fiskalpolitisch geschultes Auge sofort die Story hinter den sichtbaren Zeichen erfasste: Hier waren Steuereintreiber am Werke gewesen und hatten braven Bürgern rücksichtslos die Taschen geleert!
 
Man liest, wenn man sich für Lokalgeschichte interessiert, häufig über die Bedrängnisse des Volkes in Not- und Kriegsjahren, beispielsweise im 30jährigen Krieg, wo auch Irsee unter Truppendurchzügen und Kontributionen zu leiden hatte.
 
Aber, wie man sieht: Das geschieht noch heute, dass der Staat seinen eigenen Bürgern die Taschen total leer macht.
[Und weil wir bekanntlich "sooooo reich" sind, verteilt Stiefvater Staat unser Geld - das er u. a. via kalter Progression vorzugsweise den ärmeren Bevölkerungsschichten abnimmt - mit leichter Hand an Asylbetrüger und Armutsflüchtlinge aus aller Herren Länder. Vor allem aber an die Finanzmärkte und an die ach so armen Krisenstaaten in der Eurozone, von deren Existenz wir bekanntlich wahnsinnig profitieren.
Die Griechen machen kurzen Prozess und werfen allzu effiziente Steuereintreiber kurzerhand aus dem Amt. Warum soll man denn auch selber Steuern zahlen, wenn man doch dafür wieder, wie in alten Zeiten, seine germanischen Sklaven hat?
Dennoch werden wir dermaleinst unsere Epoche die "gute alte Zeit" nennen. Denn die Umverteilung des von uns hart erarbeiteten - und doch für die allermeisten sehr bescheidenen - Wohlstands an die Finanzmärkte und an unsere eurozonären "Brudervölker" läuft auf vollen Touren. Die Bankenunion ist schon etabliert; als nächstes folgt die Arbeitslosenunion, die nicht nur vom ungarischen EU-Kommissar László Andor vorangetrieben wird. 
Wenn wir die frechen Raubzüge dieser Plünderer nicht stoppen, dann stehen wir bald nicht nur mit leeren Taschen da, sondern sogar gänzlich ohne Hosen! ]
 
In der Mühlstraße ist ein Stück des Mühlbaches noch oder wieder sichtbar. Ich will ja nicht meckern, und so ist besser als eine Totalverrohrung des Baches.
Aber trotz mancher liebevollen Details hat der Wasserlauf insgesamt doch eine etwas "betonistische" Anmutung:
 
Freilich hatte nicht diese Sehenswürdigkeit und hierher gelockt, sondern die Bäckerei Koneberg:
 
Draußen sitzen .....
 
..... oder drinnen, das war hier die Frage. Wir entschieden uns für drinnen:
 
 
 Manche älteren Gebäude in Irsee sind nicht mehr bewohnt .....
 
..... oder zumindest nicht mehr von MENSCHEN bewohnt:
 
 
Ein Schnappschuss zur Vorbereitung auf jene reichere Blumenpracht, die wir im "Oberen Dorf" noch entdecken sollten:
 
Der Blick von unten (Marktstr. Ecke Kellergasse) herauf zur Friedhofskirche St. Stephan macht deutlich, warum einst eine Burg dort oben errichtet worden war:
 
An die erinnert heutzutage lediglich eine Schrifttafel innen an der Friedhofsmauer (die vielleicht das alte Burggelände umschließt). Von der Burganlage sind keinerlei Reste mehr sichtbar, nicht einmal ein Halsgraben. (Einen solchen muss es gegeben haben, weil das Gelände nur nach Norden und Westen hin abfällt, nach Osten nur wenig und im Süden gar nicht.) Man kann also drüber streiten, ob hier die Bezeichnung Burgstall überhaupt angebracht ist, aber unter dieser Bezeichnung wird das Gelände denkmalamtlich geführt (Wikipedia). (Die Inschrift ist auf jeden Fall sprachlich nicht korrekt. Denn "einst" stand dort kein Burgstall, sondern eine Burg!)
 
Ungefähr von der Ecke Marktstraße/Kellergasse führt ein schmaler Fußweg hoch. Wir wollten aber noch mehr vom Dorf sehen und gingen weiter bis zur Ecke Marktstr./Am Schlachtbichel.
(Neben Google Maps stellt u. a. auch Stadtplan.net im Internet einen Ortsplan zur Verfügung. Detailliert bis zu den Hausnummern ist die "Open Street Map"; die hat allerdings Probleme, Irsee von "Jersey" zu unterscheiden.)
 
Am Schlachtbichel bogen wir in die Straße "Oberes Dorf" ein und entdeckten dort (lt. Plan bei dem Haus Nr. 14) einen wunderschönen Garten. Von der Anlag her eine Art Bauerngarten, aber einige (leider schon weitgehend verblühte) Iris' waren alles andere als bäuerlich:
 
Die Besitzerin, eine freundliche ältere Dame, kam aus ihrem Haus und erlaubte meiner Frau und mir, das Grundstück zu betreten und die Blumenpracht zu fotografieren.
 
 
Ebenso wie meine Frau und ich bewunderte auch er die Blütenpracht:
 
 
 
Auf dem nächsten Grundstück erfreuten uns prächtige Rosenblüten:
 
 
 
Die Friedhofskirche St. Stephan sieht irgendwie merkwürdig aus. Tatsächlich besteht sie auch nur noch aus Turm und Chor; letzterer wurde offenbar an den Turm herangerückt, nachdem das Langhaus 1834 wegen Baufälligkeit abgerissen worden war. (Diese historischen Informationen findet man auf der Webseite des "Förderverein St. Stephan Irsee e.V.", der sich für die Erhaltung der Kirche engagiert.
 
Das Kircheninnere (von dem wir das Altar-Antependium oben schon bewundert hatten) können Besucher von einer Empore aus besichtigen:
 
Auf dem Friedhof sind selbst die Vögel tot (aber nett anzuschauen):
 
Von Osten ist der Anblick der Friedhofsmauer mit der Trauerweide so schön, dass ich mich dort glatt begraben lassen würde (aber bitte erst in 20 oder 30 Jahren!).
 
Auch beim Abstieg durch die Kellergasse in das untere Dorf um das Kloster kamen wir noch an blühenden Gärten vorbei:
 
 
 
 
Die berühmte Schiffskanzel in der Irseer Klosterkirche hatten wir bereits oben gesehen. Als Foto noch schöner finde ich allerdings den flammend-zackigen Orgelprospekt [Begriff].
Über den informiert uns die vorzügliche Kirchenbeschreibung der Webseite von Irsee (meine Hervorhebung):
"Daß zwischen der Fertigstellung der Kirche und dem Bau der Orgel ein halbes Jahrhundert liegt, verraten die hochentwickelten Rokokoformen des Orgelprospekts. Das grün-rot marmorierte Holzgehäuse ruht auf einem vielfach geschwungenen Sockel .... . Vor allem die äußerst lebhaft geschweifte, reich profilierte, bis zum Gewölbe reichende Bekrönung der Pedaltürme und das vergoldete Rocailleschnitzwerk mit den eigenartig langgezogenen, flammenartigen Auswüchsen lassen den Zeitunterschied erkennen. Musizierende Putten und Engel symbolisieren das himmlische Orchester mit Posaunen, Schalmei, Laute, Hörnern, Fagott und Harfe. Der Name des hervorragenden Bildhauers ist in den Quellen nicht genannt."

 
Im Zusammenhang mit dem Kriegerdenkmal hatte ich oben aus einem Inhaltsverzeichnis eine Kapitelüberschrift "Gefallenengedenken in der ehemaligen Klosterkirche Irsee" zitiert. 
 
Diese Gedenktafel erinnert an die napoleonischen Kriege (an denen Bayern je nach Interessenlage erst mit und später gegen Napoleon teilnahm).
Für mich auffallend (als historische Tatsache aber ohnehin bekannt) ist die hohe Zahl der auf dem Russland-Feldzug Napoleons umgekommenen (hier: Irseer) Soldaten:
 
Dagegen war im deutsch-französischen Krieg 1870/1871 die Opferzahl verhältnismäßig sehr gering:
 

Genau wie die Kirche sind auch die Klostergebäude von außen sehr schlicht: 
Nach der Säkularisation beherbergte dieses Kloster zeitweise einen Teil der psychiatrischen "Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee". Früher sprach man auch von "Irrenanstalten"; ausgerechnet 1934, also in der Zeit des Nationalsozialismus, wurde der freundlichere Begriff dafür eingeführt.

Ausgesprochen unerfreulich war, insbesondere nach dem Beginn des 2. Weltkrieges, dagegen die Behandlung der psychisch Erkrankten. Für die Nazis war das "lebensunwertes Leben" und zumal im Krieg unnütze Esser.
Bereits im 1. Weltkrieg hatten die Anstaltsinsassen in besonderer Weise unter dem Nahrungsmangel gelitten und waren viele von ihnen verhungert (vgl. Heinz Faulstich, "Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949"; dazu die FAZ-Rezension sowie eine von Götz Aly in der Berliner Zeitung).
Jetzt aber wurden die Geisteskranken systematisch und von Staats wegen getötet. Diese offizielle Aktion wurde zwar nach ca. 2 Jahren wegen wieder abgebrochen, weil es Unruhe in der Bevölkerung gab. Doch auch danach machten die Ärzte und anderes Personal sozusagen auf eigene Faust weiter. Und nach dem 2. Weltkrieg bis zur Währungsreform sorgte wiederum die schlechte Versorgungslage dafür, dass weitere Patienten verhungerten.
Weitere Informationen z. B.:
Wikipedia-Artikel "Aktion T4", Webseite "Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen 'Euthanasie' und Zwangssterilisation", Vortrag "Psychiatrie im Nationalsozialismus zwischen ökonomischer Rationalität und Patientenmord" von Gerhard Baader, ein Artikel "Psychiatrie im Nationalsozialismus" auf der Seite der "Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN)" oder (sehr ausführlich, auch zu Schwierigkeiten einer Erforschung dieser Geschehnisse) über eine Wiener Anstalt "Mord durch Hunger. 'Wilde Euthanasie' und 'Aktion Brandt' am Steinhof in der NS-Zeit" von Peter Schwarz.

Speziell über die Anstalt Kaufbeuren-Irsee berichtet das Buch "Das erzwungene Sterben von Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee zwischen 1940 und 1945 nach Dokumenten und Berichten von Augenzeugen" von Ernst T. Mader. Dessen Inhalt referiert ein Uli Nießeler unter dem Titel "Vernichtungszentrum Kaufbeuren-Irsee". Einen Überblick gibt auch das Bildungswerk Irsee unter "Psychiatrie-Geschichte. Aus historischer Verantwortung" und bei der Bundeszentrale für politische Bildung "Gedenkstätte. Erinnerung an die 'Euthanasie'-Opfer in Irsee". (Aus Zeitmangel konnten wir diese Gedenkstätte - hier im Bild - nicht besichtigen.) Auch die Darstellung der Geschichte von Irsee der Marktgemeinde verschweigt dieses dunkle Kapitel nicht.


Einen Ausflug nach Irsee zu machen hatte ich eigentlich schon länger geplant.
Den konkreten Anstoß gab dann allerdings ein Bericht in der Allgäuer Zeitung über eine Kunstausstellung in den Klostergebäuden, die
von der Schwabenakademkie veranstaltete "26. Kunstausstellung mit den Berufsverbänden Bildender Künstler in Schwaben". (Zusätzlich gab es noch eine "Sonderausstellung FOTOKUNST mit Kunstpreis der Sparkasse Kaufbeuren. Ergänzend zu „Schwäbische Künstler in Irsee XXVI".)

Beim Betreten der Klosteranlage beeindruckt das Treppenhaus durch die festliche Beschwingtheit seiner farbigen Stuckdekoration:
 
 
 
 
 
 
 
Wer diese Bilder gesehen hat kann sicherlich nachvollziehen warum die Seite Kloster-Irsee ihr Haus mit diesen Worten anpreist:
"Ob man will oder nicht - man ist fasziniert und gefangen von der zarten Farbigkeit, der anmutigen Stuckornamentik in den lichtdurchfluteten Treppenhäusern und Gängen, in den liebevoll restaurierten Funktionsräumen wie Bibliotheksaal, Empfangszimmer, Kapitelsaal. Hier hat der Gast auch überall Luft zum Atmen und Raum zum Bewegen. Das Eingangstreppenhaus ist eine prächtige Ouvertüre mit seiner überwältigenden Barockszenerie - ein Schmuckstück des Wessobrunner Stuckateurs Franz Schmutzer, geschaffen von 1727 - 1729 unter dem Deckengemälde von Franz Anton Erler aus den Jahren 1730 - 1735."

Einer der beiden Kirchentürme, von einem Klosterfenster über den Innenhof aufgenommen:
 
Die Kunstausstellung fand größtenteils im ehemaligen Festsaal des Klosters statt. Dieser Raum ist, vergleichen beispielsweise mit dem Kloster Neresheim, nur wenig geschmückt. Ich vermute, dass er früher anders aussah und später den größten Teil seiner Ausstattung durch Vernachlässigung verloren hat.
Dieser Leuchter ist natürlich modern, aber doch eindrucksvoll:
 
Die Klosterbrauerei (sogar in der Wikipedia beschrieben) setzt, wenn auch nicht nahtlos, die alte Tradition der Bier brauenden Mönche fort:

Heute vereinigt das (private) Irseer Klosterbräu Hotel, Brauerei, Brauereimuseum und einen Gasthof. Man konnte draußen und drinnen sitzen; auch hier entschieden wir uns wieder für drinnen, und zwar für diesen Raum:
 
Weitere Fotos der Gasträume und Hotelzimmer u. a. auf dieser Webseite; hier noch zwei eigene Aufnahmen von (sicherlich modernen) Wandmalereien, die mir besonders imponiert haben.
In solchen magischen Räumen
könnt' ich  die Tage verträumen!
(Mit den richtigen geistigen Getränken, und ein Laptop sollte dann auch dabei sein.)
 
 
 
Das war's (fast); ich hoffe, die Tour durch Irsee hat Ihnen gefallen - und Sie nicht überanstrengt.
Denn viele Bilder, Informationen und Links enthält mein Text.
Aber Sie können sich die Lektürezeit ja einteilen. ;-)
 
 
Sollte es freilich zu wenig gewesen sein, dann blättern Sie ein wenig im amtlichen Mitteilungsblatt. Sie werden dort spannende Geschichten über verlorene Handschuhe und Fahrradschlüssel finden, über einen "Kick-off-Treff" (brrr, bei solchen Anglizismen schüttelts mich!) der Jugend, die Irsee bewegt, über Füchse, die den Menschen dreist das Dorf streitig machen (also nicht nur die Marder, wie oben gezeigt!), oder über einen Gemeinderatsbeschluss nach dem Bundesimmissionsverfahren (meine Hervorhebung):
"Für eine Oggenrieder Biogasanlage mussten aufgrund einer Baunutzungsverordnungsänderung weitere Beschlüsse gefasst werden. Die Anlage wird nicht in ihrer Größe und im Bestand geändert. Die Beschlüsse dienen zur Angleichung an die neueste Rechtslage. Die bisherige Verwertung von Straßenbegleitgrün unterliegt jetzt dem Abfallrecht. Deshalb stimmte der Gemeinderat einer teilweisen Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes zu, wonach das Grüngut von kommunalen Irseer Flächen weiterhin in die Biogasanlage eingebracht werden kann."
Heiliger St. Bürokratius: Wenn man DICH ins Kloster einsperren würde, wäre das für die Menschheit ein wahrer Gewinn!
(Aber schon die Verwaltungsstruktur der Marktgemeinde ist, zumindest für den Außenstehenden, irgendwie kompliziert. Die ist nämlich irgendwie halb selbständig, halb aber in eine "Verwaltungsgemeinschaft Pforzen" eingebunden.)
 
 
Einsperren, oder zumindest einfangen, würde die Marktgemeinde auch gerne die Schnappschildkröte Lotti, welche in dem kleinen Badesee "Oggenrieder Weiher" ihr Unwesen trieb und vielleicht immer noch treibt. Gesehen hat sie zwar noch niemand, aber sie hat schon jemanden gebissen.Die Gemeinde freilich wird es verschmerzen, und sich heimlich sogar über die weltweite Gratiswerbung durch das auch Alligatorschildkröte genannten Monsters gefreut haben, die sogar die Klickzahlen des Wikipedia-Eintrags gesteigert hat.
Berichte über die Vorgänge beispielsweise hier in der Süddeutschen Zeitung und dort im Anzeigenblatt Kreisbote. Mit der ihr eigenen - lobenswerten - Gründlichkeit (und leicht ironischem Unterton) berichtete auch die FAZ (am 14.08.2013) über "Das Ungeheuer vom Oggenrieder Weiher".
Die Hannoversche Allgemeine begleitet ihren Bericht "Irsee lockt Lotti mit Herz, Leber und Pansen" vom 07./13.04.2014 mit einer großen Bilderstrecke "Lotti, die Unauffindbare".
Und noch am 18.06.2014 meldete die WELT: "Alligatorschildkröte Lotti verbreitet weiter Angst".
Augsburger Allgemeine (14.06.2014): "Ein Jahr nach dem Trubel: Die Angst vor Lotti schwimmt immer mit"

Nachträge 20.06.2014

Ein verhältnismäßig ausführlicher Text zur Geschichte von Kloster Irsee steht auf der Webseite des Hauses der Bayerischen Geschichte zur Verfügung.

Sogar Kohlebergbau gab es einst in Irsee - und heute gibt es ein ganzes Buch darüber: "Historischer Bergbau und Bergbauversuche auf Kohlen im Allgäu" von Lothar Wiedenmann. Ein Artikel in der Allgäuer Zeitung verrät ein wenig über den Inhalt.

Dass der Ort heute so ist, wie er ist, ist kein Zufall. Dahinter steht vielmehr hat ein intensiver Planungsprozess stehen staatliche Zuschüsse. Mehr darüber erfahren Interessierte in dem sehr informativen Artikel "Europäischer Dorferneuerungspreis 1996 für Irsee in Schwaben" (Webseite "Ländliche Entwicklung in Bayern").

Ein anderer Blogger ist mir in der Beschreibung von Irsee schon zuvorgekommen: Jörg W. Lohfink vom Flughafentransfer-Muenchen verbindet, im Prinzip ähnlich wie ich, Bilder mit Text zu einer kleinen Erzählung. Und das für Irsee gleich in zwei Blotts: "Markt Irsee - versteckte Perle im Allgäu" heißt der eine und "Markt Irsee - Detailbilder aus der Klosterkirche" der zweite.

Anlässlich einer im Jahr 2010 dort abgehaltenen Konferenz „Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben“ hat einer der Teilnehmer auch über seine "Eindrücke aus Irsee (Ostallgäu)" berichtet, und zwar im wesentlichen nur über das Kloster und die Klosterkirche. Unverständlich ist, wie der Autor zu der Behauptung kommt"Auf dem im späten 12. Jahrhundert von Markgraf Heinrich Ursin – Ronsberg bebauten Irseer Burgberg befindet sich die mehrfach umgebaute Klosteranlage, die bis 1803 den Habsburgern unterstand".umso merkwürdiger. Denn schließlich müsste er als Konferenzteilnehmer in den alten Klostergebäuden doch gemerkt haben, dass diese NICHT auf einem Berg liegen?
 

ceterum censeo
 Blockis* bluten brave Bürger!
Deshalb Deutschland in Europa:
Weder Zuchtmeister, noch Zahlmeister!
* Die eurofetischistischen "Blockparteien" CDUCSUFDPGRÜNESPD
Textstand vom 22.06.2014

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