Blick vom Hauptplatz am Schmalzturm (auch: "Schöner Turm") vorbei auf die Türme der Heilig-Kreuz-Kirche (Malteserkirche). (Die Altstadt mit dem großen dreieckigen Hauptplatz, im Westen durch diesem Torturm des 1. Mauerringes geschlossen und der Malteserkirche im Hintergrund sind auf dieser Luftaufnahme gut zu erkennen) |
Bei strahlendem Sonnenschein mit der Bahn durch eine tief verschneite Winterlandschaft zum Weihnachtsmarkt fahren, wäre das nicht schön?
Er war auch wirklich herrlich, unser Ausflug nach Landsberg am Lech am vorigen Dienstag (12.12.2012).
Die alten Zeiten waren alles andere als gute Zeiten; da mussten die Menschen ihre Städte stark befestigen, um nicht von feindlichen (oder sogar von den "eigenen"!) Heeren ausgeplündert zu werden. Plünderung und "Brandschatzung" waren schlimm; aber im 30jährigen Krieg traf es Landsberg noch schlimmer: "die auf protestantischer Seite kämpfenden Truppen [erstürmten] den Ort. Sie metzelten in der Folge alle Bewohner bis auf 500 Rekruten nieder" liest man darüber im Wikipedia-Eintrag für die Stadt Landsberg a. L. Auch die Quelle ist dort angegeben ("Gustav Adolph und sein Heer in Süddeutschland von 1631 bis 1635: Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Von Gustav Adolphs Tode bis zur Eroberung von Regensburg durch König Ferdinand von Ungarn und Böhmen: 1633 bis 1634" von Franz von Soden, erschienen 1867) und hier online verfügbar (S. 71). Dort wird der Sachverhalt, und vor allem der Hintergrund für so eine selbst für den 30jährigen Krieg ungewöhnliche Aktion so dargestellt:
"Der Herzog [Bernhard von Weimar] ließ das unglückliche Landsberg in der Nacht vom 9. - 19.* zum 10. - 20. April stürmen, wobei er 300 Mann verlor. Mit Ausnahme von 500 Rekruten, welche bei den Siegern Dienste nahmen, wurde alles niedergemacht, weil die Bürgerschaft früher gegen die schwedische Besatzung frevelhaft gehandelt und jetzt auch unter die Verteidiger gemischt hatte".
Der Wikipedia-Eintrag macht daraus, wohl korrekt:
"Schwedische Truppen des Generals Lennart Torstensson belagerten ab dem 11. April 1633 das Gemeinwesen. In der Nacht vom 19. auf den 20. April erstürmten auf Befehl des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar die auf protestantischer Seite kämpfenden Truppen den Ort."
Was die 300 Mann Verluste angeht vermute ich mal, dass es sich um die Verluste während der gesamten Belagerungszeit gehandelt hat, nicht nur bei der Erstürmung.
Etwas seltsam klingt für unsere heutigen Ohren hier der Begriff "Rekruten". Es dürfte sich um die soldatischen Verteidiger (deren bürgerliche Helfer möglicher Weise niedergemetzelt wurden) gehandelt haben, die "Pardon" bekamen und dafür 'den Arbeitgeber wechseln' mussten. Solche Arrangements waren damals nicht selten (Profis unter sich, sozusagen, oder "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus"). Bei einer Erstürmung erscheinen sie mir allerdings ungewöhnlich.
Möglich, dass sich die Verteidiger in das Schloss (das heute nicht mehr steht; kurz nach 1800 wurde es abgebrochen) auf dem Schlossberg zurückgezogen hatten und es den Eroberern zweckmäßiger erschien eine friedliche Übergabe zu vereinbaren, als weitere Verluste im Kampf um die Burg zu riskieren. Andererseits ist es freilich auch denkbar, dass die Verteidiger die Bürger einfach verraten und mit den Belagerern eine Aufgabe der Stadt ausgekungelt hatten, also die "Erstürmung" garkeine war. 500 Verteidiger [wenn man unterstellt, dass es sich bei den im Buch erwähnten "Rekruten" um die Stadtbesatzung handelt] waren wohl zu wenig für die Länge der Stadtmauern. Da man auch Ruhezeiten ansetzen muss, kommt man auf eine Effektivstärke von vielleicht 300 - höchstens 400 bei einem Angriff tatsächlich kampfbereiten Verteidigern. Obwohl die Stadt 1618 ff. noch stark befestigt worden war, dürfte diese Mannschaftsstärke nicht ausgereicht haben, um einen Sturmangriff abzuwehren; das dürfte dem Kommandanten auch klar gewesen sein.
Aber ohne Zusatzinformationen bleiben diese ganzen Vorgänge für mich doch ziemlich unklar.
* eine ausgesprochen merkwürdige Datierung; gemeint ist zweifellos: in der Nacht vom 19. auf den 20. April [1633]
Fest steht jedenfalls, dass die Stadt stark befestigt war. Über die Einzelheiten (auch über verschwundene Stadttore und Mauertürme) informiert ein eigenständiger, sehr ausführlicher Wikipedia-Eintrag "Stadtbefestigung Landsberg am Lech".
Historisch interessant ist, dass der Stadtmauerring mehrfach erweitert wurde. Es gibt wohl nur wenige Städte (Rothenburg ob der Tauber ist eine davon, z. B. das Rödertor), in denen noch wesentliche innerstädtische Reste alter Befestigungsringe aus Zeiten vor späteren Stadterweiterungen erhalten sind. Auch in Landsberg wurden viele (später) innerstädtische Tore und Mauerabschnitte abgebrochen, aber immerhin haben sich doch einige bemerkenswerte Exemplare noch erhalten (z. B. Bäckertor, Schmalzturm/Schöner Turm).
"Auch die Mauer der hochmittelalterlichen Kernstadt ist in Teilen überkommen und gut zu verfolgen" lesen wir im Wikipedia-Stichwort; hier und da habe ich Abschnitte davon gesehen, aber nur wenige; freilich habe ich auch nicht systematisch danach gesucht.
Ein besonders bemerkenswerter Mauerturm, allerdings des äußeren Befestigungszuges, ist der sog. "Jungfernsprung". Auch dieses Bauwerk hat einen eigenen Wikipedia-Eintrag, wo wir u. a. erfahren, dass er erst im 19. Jahrhundert auf seine heutige imposante Höhe aufgemauert wurde, und zwar aus ganz prosaischen Gründen: Er wurde damals nämlich als Wasserdruckturm genutzt.
Im 30jährigen Krieg sollen tatsächlich Frauen aus Angst vor den Schweden vom Turm herab in den Tod gesprungen sein (in den Lech haben sie es aber ganz gewiss nicht geschafft).
Wenn Sie in der Überschrift von "Mord und Totschlag" lesen, denken Sie vielleicht an den Mann aus Zelle 7, der Not und Tod über fast ganz Europa gebracht hat. Den Landsbergern freilich brachte er 1933 ff. zunächst einmal einen ständig wachsenden Tourismus.
An diese Zeiten erinnert sich die Stadt heute ungern; aber eine Bürgervereinigung hat sehr ausführliche Texte über die Ereignisse in Landsberg während der Nazizeit ins Netz gestellt. Die Webseite der Stadt bringt ein wenig über die Festungshaft Adolf Hitlers (in dieser Zeit verfasste er den 1. Teil seines Buches "Mein Kampf") und über die Konzentrationslager, die gegen Kriegsende in Landsberg und Umgebung eingerichtet wurden und in denen durch die unmenschlichen Haftbedingungen zahlreiche Insassen umkamen. Im Übrigen verlinkt sie zu einer privaten Seite, die aber deutlich wortkarger ist als die Texte der "Bürgervereinigung". Interessant ist jedoch der Stadtplan "Landsberg im Nationalsozialismus".
Die Landsberger selber sind übrigens ausgesprochen glimpflich durch den Krieg gekommen; die Stadt wurde nicht bombardiert und war auch bei Kriegsende kaum umkämpft.
Aber mir geht es hier um jenen Mord und Totschlag, dem wir selber in Landsberg begegnet sind. Wenn auch nur auf Wandmalereien.
Gleich am Eingang in die Stadt (wenn man, vom Bahnhof kommend, auf der Karolinenbrücke den Lech überquert hat) stehen die Gebäude des ehemaligen Klosters der Ursulinerinnen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (ausführliche Klostergeschichte hier auf der Webseite des Hauses der bayerischen Geschichte).
Zum ehemaligen Klosterkomplex gehört auch eine Kirche
Klosterkirche der Ursulinerinnen |
und die hat es, was "Mord und Totschlag" angeht, innen in sich: rings herum an den Wänden des Kirchenschiffes wird nämlich erstochen, geköpft, gemessert, geknüppelt und zersägt, was das Zeug hält:
Heftige Kost für heilige Damen, und vor allem für deren Schülerinnen, denn die Mädchenerziehung war die eigentliche Aufgabe der Betschwestern.
Und ein paar Monsterchen gibt's noch als Zugabe:
Aber nach diesem Schnellkurs in christlicher Martyrologie zeigte uns die Stadt doch noch ihre lichtere Seiten.
Wie z. B. das Rathaus, dessen Fassade Dominikus Zimmermann entworfen hat, der Erbauer der berühmten Wieskirche.
Zimmermann war zeitweise auch Bürgermeister in Landsberg und hat dort noch weitere Werke hinterlassen (eine Übersicht bietet die Webseite des nach ihm benannten Landsberger Gymnasiums; hier am Textende).
Hoch gelobt wird die von ihm erbaute Kirche St. Johannes am Vorderanger - aber die war leider geschlossen.
Geöffnet war natürlich die stadtbildbeherrschende (vgl. dieses schon oben erwähnte Luftbild) Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Weiß gekalkt erinnerte sie mich an mediterrane Bauwerke. (Nicht unpassend übrigens, denn gleich daneben liegt das griechische Restaurant "Cap Sounio", in dem wir preiswert und nicht schlecht zu Mittag speisten):
Aus dieser Perspektive betrachtet könnte man kombinieren, dass Maria eher auf einer Himmelsleiter in den Himmel geklettert als gen Himmel geflogen sein muss:
Innen glitzert golden der Hochaltar im Licht der von Süden einströmenden Sonne:
Und falls Sie sich wundern, woher die Tauben in der Stadt kommen: hier werden die ausgebrütet:
Für alle, die auf meinen Bildern vielleicht den Schnee vermissen: Hier liegt genug davon auf dem langgestreckten "Salzstadel" (ein 1754 erbautes langgestrecktes Lagerhaus für Salz; der Salzhandel war früher eine wesentliche Existenzgrundlage für die Stadt) in der Hinteren Salzgasse in der Nähe des Flusses:
Gegen 16.00 h kehren wir zur Stadtkirche zurück: jetzt öffnet endlich der Weihnachtsmarkt auf dem Georg-Hellmair-Platz an der Südseite des Kirchenschiffs. Die Abendsonne übergießt die Westfassade von Mariä Himmelfahrt mit warmen Farbtönen ...
... und auf die Turmkuppel zeichnet sie kupferfarbene Lichttupfer:
Am Hang erblicken wir noch einmal die doppeltürmige Heilig-Kreuz-Kirche:
Sinkend färbt die Sonne das Rot der Dachziegel intensiver:
Und wir wenden uns nun ganz dem Erleben des Weihnachtsmarktes zu:
Ein schöner Tag war das - obwohl er mit "Mord und Totschlag" begonnen hatte ;-).
Gegen viertel nach Sieben wird uns die Bahn wieder zurückbringen nach Kaufering, wo wir umsteigen müssen (und dann noch einmal in Kaufbeuren).
Der Serviceladen im "Bürgerbahnhof" ist lecker warm beheizt: wir können es gebrauchen, denn es war kalt, und die wärmenden Flüssigkalorien vom Weihnachtsmarkt halten auch nicht lange vor.
Textstand vom 14.12.2012. Fotos können durch Anklicken vergrößert werden
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