Montag, 22. Juli 2019

Schöner sterben in Lindau




Eigentlich haben wir hier in Schwangau alles, was das Herz begehren kann: Die Berge - und gleich mehrere Seen. Darunter mit dem Forggensee auch einen recht großen. Aber, wie es so ist mit den Menschen: Die wollen immer was Neues sehen und erleben. Wir haben seit einiger Zeit die Inselstadt Lindau im Bodensee für uns entdeckt. 
Die Anreise (mit der Bahn, da wir kein Auto haben) ist recht bequem: Nur einmal umsteigen (in Kaufbeuren). Allerdings dauert es: knapp 3 Stunden Fahrzeit, insgesamt dreieinhalb Stunden von unserer Wohnung aus. Und da wir an Alltagen wie an diesem Mittwoch, 17.07.2019, mit dem Bayern-Ticket nicht vor 9.00 h vom Bahnhof Füssen abfahren können, sind wir leider erst um 12.00 h in Lindau. Immerhin bleiben uns dort noch sieben Stunden, um die Stadt zu erkunden und dam Ufer des "Schwäbischen Meeres" zu bummeln.

Am Bahnhof (dem "Inselbahnhof"; demnächst wird ein neuer auf dem Festland gebaut; allerdings bleibt der alte erhalten) begrüßt der Dachschmuck auf dem großen, kaiserzeitlichen Postgebäude die Reisende Heute beherbergt es die Stadtbücherei (mit einem Selbstbedienungs-Café in einem Wintergarten direkt an den Bahngleisen), das Stadtarchiv und (wohl nur temporär bis zur Restaurierung des eigentlichen Museumsgebäudes, des historischen "Haus zum Cavazzen" am Marktplatz) das "Kunstmuseum am Inselbahnhof".


Noch näher herangezoomt hier die Kehrseite der giebelkrönenden "Lindavia": 

Vom Bahnhof gehen wir in die Ludwigstraße - wo ein kleiner Teeladen dann doch zu klein war, um den von uns begehrten Gabalong-Tee zu führen.

So biegen wir in die Straße "Inselgraben" ab, wo einst der Mauergraben zum Schutz der Altstadt verlief. Hübsche Hütten hat es hier .....
 

..... solange man keine Abstecher in eine kurze Sackgasse macht, welche die weniger schöne Kehrseite eines alten Fachwerkgebäudes entblößt. An lauschigen Sommerabenden in diesem originellen kleinen Biergarten zu sitzen, macht sicherlich trotzdem Spaß. Zumindest so lange, wie die Bruchbude noch durchhält und nicht auf dem Weg alles Irdischen kollabiert:

Wir steuern gezielt die Pizzeria Piccola in der Dammsteggasse 4 an (mit der Front und den Außentischen zur Zeppelinstraße hin ausgerichtet). Deren Pizza Marinara kann man empfehlen. 
Der Chef kocht aber nicht nur gut, sondern malt auch anspruchsvolle Bilder (eins davon ist auf seiner Facebook-Seite zu sehen).

Weil mein Mümmelmäuschen ihre Mahlzeiten genießt, wohingegen ich mir, vor Jahrzehnten als Busreiseleiter, eine ebenso ungesunde wie unkultivierte Schnellfutteraufnahme antrainiert habe, bleibt mir viel Zeit, um den "Malefizturm" ("Diebsturm, Stadtknechtsturm, auch Körbler genannt") mit seinen vier Zipfeltürmchen ausgiebig zu knipsen (rechts der Turm der Peterskirche):

Die Wetterfahne des Peterskirchturms:







In üppiges Grün eingebettet erscheint die Dachlandschaft des Diebsturmes von der anderen Seite her (Straße "Unterer Schrannenplatz"; rechtsaußen ein Stück vom Turm der Peterskirche, deren Apsisgiebel und Apsisdach ebenfalls sichtbar sind):

Die Apsis der uralten Peterskirche, die heute profaniert ist und seit 1928 als Gedenkstätte für gefallene Soldaten (und heute auch für Opfer des Nazi-Regimes) dient:


Im Innenraum sind die großflächigen Fresken, insbesondere auf der Nordwand ("Lindauer Passion") sowie in der Apsis eine kunsthistorische Rarität, doch leider schlecht erhaltenen. Außerdem ist das Kircheninnere trotz einiger Scheinwerfer ziemlich duster.

Dagegen ist das Apsisfresko der Marienkrönung (auch weil relativ gut ausgeleuchtet) einigermaßen zu erkennen:

Die Bildbearbeitung mittels "Autokorrektur" verfälscht zwar die Farben, bringt jedoch die Formen besser heraus:

Hier versteht man, was "finsteres Mittelalter" bedeutet - und wie revolutionär der lichtvolle gotische Baustil im Hochmittelalter auf die Zeitgenossen gewirkt haben muss:

Ursprünglich waren wohl auch die Fensterlaibungen mit Dekormalerei freskiert; dieses Stückchen dürfte ein Rest davon sein:
 

Vom Diebsturm aus ist die Nordseite der Stadtmauer noch erhalten und begehbar; wir aber steigen hinab zum idyllisch wirkenden "Unteren Schrannenplatz" vor dem ehemaligen Zeughaus, das heute als Kleinkunst-Bühne genutzt wird .....
 

..... und von dessen großem, massivem Holztor ich diese Makro-Fotografie aufgenommen habe:

Den Platz vor dem Zeughaus schmückt der "Narrenbrunnen" (deren es in Deutschland viele gibt, auch wenn sie mit der Zahl der Narren nicht annähernd mithalten können) von 1989:

Der Bregenzer Maler Rudolf Wacker hat sich diesen romantischen Winkel der Lindauer Altstadt nicht entgehen lassen. Seine Vaterstadt ehrte sein Andenken, indem sie hier und an einigen anderen Stellen transparente Tafeln mit Abbildungen seiner jeweiligen Werke aufstellen ließ:

In der Straße "In der Grub" (wo man übrigens auch eine Menge Restaurants findet) bewundern wir dieses malerische Giebel-Ensemble:

Nicht fifty shades of grey, aber immerhin vier unterschiedliche belichtete Schattierungen von Grün (das als Farbe ja durchaus angenehm ist) kann ich Ihnen von diesem Kastanienbaum aus einem Hof in der Storchengasse anbieten:





Ein solches ersterbendes Grün hat seine Reize - wenn nicht in ästhetischer, dann jedenfalls in politischer Hinsicht:


Ob diese Dame auch Wahlergebnisse vorhersagen kann? Oder gar beeinflussen???

 Das alte Rathaus und weitere Fassaden:

 


Nun endlich kommen wir zur Allgäuer Art Galerie des Kunstmalers Alfred Opiolka und damit auch zu dessen "Sargladen".
Ab 3.000,- € ist man dabei, mit einem künstlerischen Sarg, statt einer bloßen Tischler-Kiste: SO macht das Sterben doch Freude?
Nur hat man nicht viel davon, wenn erst die Hinterbliebenen einen wunderschönen Sarg kaufen. Daher: Gleich zuschlagen! Dann kann man u. U. jahrzehntelang die Vorfreude genießen, eines Tages dort drin zu liegen! Wenn Sie ein rational kalkulierender homo oeconomicus sind werden Sie zugeben müssen, dass nur wenige andere Investitionen eine derart langdauernde Beglückungsrendite abwerfen!



Wir allerdings waren eigentlich nicht um der schönen Särge willen nach Lindau gereist, sondern wegen Wasser.
Da falsche Bescheidenheit uns fernliegt, sollten es gleich hundert Wasser sein - oder Hundertwasser, Friedensreich. Von diesem "Traumfänger einer schöneren Welt", werden gegenwärtig eine Reihe von Werken in dem eingangs erwähnten "Kunstmuseum am Inselbahnhof" gezeigt.

Nachdem uns freilich die Zeit wie Wasser unter den Händen zerronnen war, blieb uns nur noch unsere obligatorische Promenade am See-Wasser von der Gerberschanze bis zum Hafen zurück zum Bahnhof.
Wir werden also, voraussichtlich im September, erneut nach Lindau fahren müssen. Um dann aber wirklich nicht nur EIN Bodenseewässerchen zu sehen, sondern gleich "Hundertwasser"!


ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand vom 16.11.2020

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